Erinnerungen

Fliegen im Schuhgeschäft
Als Kind hielt ich mir in einem Terrarium eine Ringelnatter, die ich im Fenn fing. Vor den Sommerferien erklärte ich meiner Mutter, dass die Natter jede Woche einen Frosch als Futter erhalten soll. Ich legte einen entsprechenden Vorrat an, sie wurden in einem eigenen Behälter untergebracht.
"Und wovon sollen die Frösche leben?" fragte mich meine Mutter, - "Na, von Fliegen natürlich!"
"Und wo bekomme ich die Fliegen her?" - "Die Brummer fängt man am besten hinter großen Fensterscheiben, im Flur zum Beispiel."
"Und wo tue ich sie hinein?" - "Ich bau dir einen Fliegenkäfig." Ich höhlte einen Korken so aus, dass die enstehende öffnung mit Stecknadeln vergittert wurde, eine Stecknadel wählte ich mit einem großen Kopf, so dass man sie leicht herausziehen konnte, das war die Tür zum Gefängnis, indem mindestens fünf Fliegen Platz hatten. Es war ein fliegenarmes Jahr. Alle Bekannten meiner Mutter wurden eingespannt, Fliegen zu fangen, selbst im Büro die Mitarbeiter. Nach meiner Wiederkehr hörte ich folgende Geschichte von meiner Mutter:
Sie ging nach dem Büro ins Schuhgeschäft, um neue Schuhe zu kaufen (no-na!) und an Ihrer Tasche hing ein Nylonsäckchen mit den Fliegen, die sie mit Hilfe ihrer Kollegen im Büro gefangen hatte, - offenbar traute sie dem Fliegenkäfig nicht, oder sie konnte nicht mit ihm umgehen. Die Insassen surrten und brummten herum, das erregte die Aufmerksamkeit eines neben ihr sitzenden Herrn. Was haben Sie denn da?, fragte er. "Fliegen" sagte meine Mutter, als ob es ganz selbstverständlich wäre, mit Fliegen an der Handtasche herumzuspazieren. "Aha."
Als sie aufblickte beugte sich der Herr, nachdem er zuvor ein bißchen zur Seite gerückt war, wieder zu ihr:
"Was machen Sie mit den Fliegen?" "Die sind für meine Frösche" antwortete sie und wandte sich wieder den Schuhen zu. Als sie wieder aufschaute, saß der Mann einen Platz von ihr entfernt, er hielt sie wohl für nicht ganz richtig. Doch die Neugier ließ ihm keine Ruh, wieder fragte er: "Und wofür haben sie Frösche?"
"Für meine Schlangen" antwortete meine Mutter. Als sie dann aufstand, war der Mann verschwunden."
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Vergessengeratenes Kinderspielzeug:
Ein Metalldampfer, der durch eine Kerze angetrieben wurde.
Das in einem Wasserrohr tanzende Flaschenteufelchen.
Die mit Wasser gefüllte Rakete zum Aufblasen.
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Sokrates
Einer der spannenden Trips ist wohl der übergang vom Diesseits ins Jenseits. Es dürfte eines der großartigsten Erlebnisse sein. Eine Berlinerin wollte aus dem Leben scheiden. Sie fuhr zur Krummen Lanke, einem See, nahm Schlaftabletten und ging schwimmen. Sie wurde gerettet.
Diese Erfahrung mit dem Tod war so stark für sie, dass sie es wieder und wieder haben wollte. Sie ging ins Wasser. Siebenmal wurde sie ins Leben zurückgeholt. Beim achtenmal wollte sie es wohl ganz genau wissen.
Auf zum nächsten Zustand!
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Uitz
Ich sitze hier in Graz in einem Beisel, ein Sterbender nicht weit von mir. Ein einfacher, doch glücklich erscheinender Mensch. Da liegt er nun mit seinen Krebs-Metastasen im Bett und macht Witze.
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Durch die Seele fließt kein Blut
Als kleines Kind erfährt man oft vor dem Schlafengehen die große Angst, die Angst vor dem Tod. Es ist nicht der Akt des Sterbens, der vielleicht schmerzhafte ungewisse übergang, nicht die Gefühls- und Empfindungslosigkeit dieser Stille, die uns erwartet, sondern die Unentrinnbarkeit vor dieser Ewigkeit. Das Bewußtsein, dass der Tod kommen wird, dass es nichts dagegen zu unternehmen gibt, die Hilflosigkeit, mit der man dieser Situation ausgeliefert ist, zusammen mit der Vorstellung über den Zustand des Totseins, dieser immerwährende, dauerhafte Zustand, aus dem es auch nicht für kurze Augenblicke ein Zurück gibt, lässt einen nicht in jene erlösende bewußtseinslose, dem Tode so ähnliche Erscheinungsform versinken, die wir Schlaf nennen.
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Die Raketenbauerzeit
Die amerikanischen Besatzungssoldaten in Berlin hielten meist ihre Militärübungen im Grunewald ab, oft in der Nähe der Krumme Lanke. Als Kinder waren wir natürlich neugierig, wenn sie aus ihren MG-Nestern wie wild auf irgendwelche virtuellen Feinde feuerten, natürlich mit Platzpatronen, welche sie dann einfach im Wald liegen ließen, doch wir sammelten sie ein und verkauften sie auf dem Schrottplatz, somit wurde das Taschengeld ein wenig aufgebessert.
Hin und wieder waren auch noch volle Patronen darunter, wir entfernten die Verschlussplättchen und erhielten auf diese Weise das silbrige feinrieselnde Patronenpulver. Mit ein paar Streichholzköpfchen vermischt ließ es sich leicht entzünden und es gab immer eine riesige Stichflamme. Ziemlich brisant.
Außerdem hatten diese langen Patronen schon von vorneherein die Form einer Rakete, die Verbin-dung vom Zündhütchen zur Pulverkammer war nur ein kleines Loch, die ideale Düse. Durch dieses Loch wurde eine Jetex-Zündschnur geführt, die Brisanz des Schießpulvers wurde entschärft durch Beigabe von Holzkohle, die Spitze der Patrone wurde mit einer Schraube verschlossen.
Wir lernten schnell, dass unsere Flugkörper unbedingt Stabilisatoren in Form kleiner Flügel brauchten, denn sonst war der Flug so unkontrolliert, dass die spiralförmigen, oft chaotischen Bahnen leicht zum Ausgangspunkt zurückführen konnten, und wir uns damit gefährdet hätten.
Die Weite der Flüge schwankte zwischen drei und zehn Metern, das war uns natürlich viel zu wenig und so begannen wir mit Hilfe von Lexika Schwarzpulver zu mischen, Schwefel, Kalisalpeter und Holzkohle bekamen wir in der Drogerie.
War die Mischung gut, bekamen wir einen gleichmäßigen Schub, war sie schlecht, wurde er ruckartig und der Flug nicht zufriedenstellend. Um den Schub weiter zu erhöhen mischten wir zum Schwarzpulver noch das Schießpulver aus den Patronen.
Einmal beobachtete uns ein anderer Junge bei einer Versuchserie auf einer Wiese vor dem Wasserwerk Riemeisterfenn. Ich hatte gerade mein Meisterstück in die Luft gejagt, über 30 Meter flog diese umgebaute Patrone in einer wunderschönen Parabel. Er wollte auch einmal zünden. Nun hatte ich nur noch eine Rakete, in der war mehr Schießpulver als in der vorigen, außerdem war das Gemisch höher verdichtet, es war eine riskante Sache, doch hatte ich dafür eine extra lange Zündschnur. Sie sollte vom Ufer der Krumme Lanke in Richtung Mitte des Sees abgefeuert werden.
Ich warnte den Jungen, aber nachdem er gar so bettelte, gab ich sie ihm und wir entfernten uns vom Ufer, um das Schauspiel von der Entfernung zu beobachten. Aber anstatt sich eine provisorische Abschußrampe zu bauen, zündete er die Rakete in seiner Hand, die Länge der Zündschnur hätte noch ausgereicht, um sie noch irgendwo zu plazieren, doch er machte keine Anstalten in dieser Richtung. Sie explodierte und Blut floss aus seiner linken Hand, ein Splitter hatte sie erwischt. "Massl gehabt", würde man in Wien sagen.
Im Gymnasium hatte ich einen Klassenkamaraden, der hieß Udo, Udo Bansbach, dessen Vater hatte eine Lampenfabrik. Ich begeisterte ihn für’s Raketenbauen. Kurz darauf kam er mit einer wunderschönen Rakete in die Schule, ungefähr zehn Zentimeter lang, sie bestand aus Lampenkonstruktionsteilen, Zehner-Rohren, Messing, auch verchromt, mehreren Gewindeadaptoren, herrlich, man konnte sich mit diesen Teilen austoben.
Als Düse diente ein Rohrabschluß, den wir durchbohrten. Von ihnen gab es eine Reihe von Kugel- ,Kegel- und Zylinder-Formen, was diese Endstücke für eine Funktion hatten, war mir unklar, als Zierstücke für im Raume endende Lampenstangen, oder zur Befestigung eines Schirms? Als Kopfenden der Raketen waren sie natürlich auch geeignet.
Besonders prachtvolle Enden konnte man mit den übergangsstücken von einer Gewindegröße zu einer anderen konstruieren. Und Udo saß an der Quelle. Ich stand unter Konkurrenzdruck, aber in seiner Krabbelkiste befanden sich nur immer die Reste, die er nicht wollte.
Die Gewinderohre hatten in der Längsrichtung eine Naht, und die war sehr anfällig gegen Belastung, sie platzten besonders gerne bei schlechter Dimensionierung. Außerdem hatten diese Raketen noch einen großen Nachteil: Sie waren schwer, und daher flogen sie nicht weit!
Als ich dann eine zweistufige Rakete aus Tablettenröhrchen konstruierte, war die Welt wieder in Ordnung. Mein dreistufiges Exemplar kam nicht mehr zum Einsatz.
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Renate Vcelka oder eine verlorene Zukunft
Ich sitze im Zug nach Berlin, die Häuser ziehen vorbei, das Land ist flach. St. Pölten liegt schon lange hinter mir, der Blick aufs Krankenhaus - Erinnerungen mit Wehmut behaftet. Ist sie wirklich tot? Ich habe doch noch gestern ihre Stimme gehört, sehe ihre Stiefel in der Stadt spazieren, fühle ihre Gedanken in den meinen: "Wenn man erst einmal anfängt, sich auf den Freitag zu freuen.-"
Der Pilz war giftig, viel giftiger als meine Crotalus durissus! Renate ist tot, unentschuldigt, unwiderruflich tot.
Regensburg, ich hätte hier schon umsteigen können, aber ich fahre weiter, in verbissener Lethargie, sinnlos sauer, weil es nicht zu ändern ist. Es waren doch nur drei Tage mit ihr, nur drei Tage, doch es war mehr, es war viel mehr, es war die verlorene Zukunft mit ihr! Ein Wochenende, was ist das schon, dieses Wochenende zum Leben ist wie der Pol zur Polaren, sie gehören doch zusammen.
Ein kläglicher Versuch meiner Gedanken, der Sache einen Sinn zu geben. Ein paar Damhirsche grasen vor einem Wäldchen, mitten am Tag. Parsberg, Felder, ein Kirchlein am Berg, Tennisplätze, ein gelber Kadett. Mir gegenüber sitzt ein elfjähriges Mädel und strahlt mich an:
Osterferien.
Als ich das letzte mal nach Berlin fuhr, war ich in anderer Gemütsverfassung, und ich hatte auch andere Gedanken, freudige Aktivität hatte mich durchströmt, Taten fordernd, planend. Und jetzt?
Ein halbes Jahr hat sie gekämpft, blind, nur mit ihren Gedanken beschäftigt. Doch sie hat verloren gegen die Eifersucht in Form einer Kugel.
Kiefernwälder, sie wirken wie große Hallen auf mich und jede Säule ist doch ein Individuum, keine zwei gleichen. Keine zweite Renate! Ist es gut so, oder nicht? Was spielt’s für eine Rolle, es ist so! Auch meine Tränen können nichts ändern, Machtlosigkeit.
Ein Schüler, Steinmetz, machte mir einen Grabstein.

Ein Wochenende, das ihr das Leben und mir eine Zukunft nahm.
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Mutter und Sohn samt Umfeld
Wenn ich bei meiner Mutter mal wieder mit einer neuen Freundin auftauchte, kam ich meist in den Genuss, einige alte Geschichten zu hören.
Dadurch, dass ich mich den größten Teil meiner Kinder- und Jugendzeit im Wald herumtrieb, kam ich auch in Kontakt mit jenen Lebewesen, die dem Durchschnittsmenschen nicht so liegen, mit Schlangen, Eidechsen, Fröschen, Spinnen und was da sonst noch alles kreucht und fleucht.
Es dauerte nicht lange, bis die ersten Terrarien zu Hause herumstanden, zum Leidwesen meiner Mutter. Bevorzugte Insassen waren die im Fenn gefangenen Ringelnattern.
Ich roch sie regelrecht, wenn nur eine Schwanzspitze hinter einem Grasbüschel hervorschaute setzte ein Hechtsprung ihrer momentanen Freiheit ein Ende. Wenn dann noch ein Frosch in greifbarer Nähe war, wurde sie gleich an Ort und Stelle gefüttert, sie fraßen oft aus der Hand. Einmal quakte ein Frosch noch im Bauch! Dann wurden sie ein bisschen herumgetragen und wieder frei gelassen. Fünzehn Stück an einem Tag war der Rekord.
Mein Freund Norbert und ich entwickelten eine eigene Taktik: Am Rande des Fenns war ein südseitiger Hang, auf dem es die Ringelnattern liebten, sich zu sonnen. Näherte man sich, so schossen sie pfeilschnell den Hang hinunter, um im Wasser unterzutauchen, und sie konnten lange tauchen. Norbert ging am oberen Teil des Hangs entlang, darauf bedacht, fest aber nicht zu fest auf dem Boden aufzutreten, ich schlich am unteren Teil in etwas vorgerückter Position am Ufer entlang und brauchte die aufgescheuchten Nattern nur noch einzusammeln. Jetzt, wenn ich daran denke, packt mich die Wehmut, denn es gibt keine Schlangen mehr im Fenn!
Zwei oder drei waren den Sommer über in häuslicher Pflege bei mir, und da sie Meister im entkommen sind, gabs auch hin und wieder überraschungen.
Missstimmung lag in der Luft, als ich vom Schachspielen nach Hause kam. "Warum bist Du denn so schlechter Laune?" fragte ich meine Mutter. "Soll ich nicht schlechter Laune sein, wenn eine Deiner Schlangen in meinem Bett ist?!" Ich grinste nur und meinte "Da hätte ich gerne meine Ma herumhüpfen sehen!" Als meine Mutter nämlich das Bettdeck zurückschlug, um schlafen zu gehen, war es mit ihrer Müdigkeit zu Ende. Ihr Schrei rief die Nachbarin herbei und gemeinsam trugen sie das Bettzeug samt Inhalt (=Ringelnatter) in mein Zimmer und versperrten die Tür, als ob so ein arm- und beinloser Wurm die Türklinke betätigen könnte. Für zwei Mark durfte dann der Sohn der Nachbarin das Reptil wieder in ihren Behälter setzen.
Ein andermal standen zwei ältere Damen, die zwei Stockwerke unter uns wohnten, verstört im Hausflur, die Feuerwehr war auch schon dagewesen, eine Schlange haben sie in Ihrer Wohnung gesehen. Das konnte nur eine meiner Ringelnattern sein, und sie konnte nur den Weg über den Balkon gewählt haben. Na schön, ich begab mich also in ihre Wohnung auf Schlangensuche. Wer dieses Spielchen schon mal gespielt hat, kann ermessen, wie schwierig solch ein Unterfangen (hier Einfangen) ist. Nach einer Stunde erfolgloser Suche setzte ich mich zum überdenken in einen Sessel. Vor mir stand eine Nähmaschine. Und darin bewegte sich ein Kabel.
über den Balkon verabschiedete sich auch meine Schildkröte "Tante Emma". Sie lief nämlich jeden Morgen, nachdem sie in der Küche gefrühstückt hatte, auf den Balkon, setzte ihre Vorderfüße so auf die Schwelle, dass sie unten den vorbeifahrenden Autos nachschauen konnte. Einmal war sie wohl zu neugierig und landete einen Balkon tiefer. Ich ging hinunter, läutete und fragte: "Haben Sie meine Tante Emma gesehen?"
Antwort: "Kind, ich kenne Deine Tante Emma nicht." "Na, meine Schildkröte!" So kam eine Bekanntschaft zustande.
Eidechsen hatte ich natürlich auch, meist Zauneidechsen, machmal auch Waldeidechsen, sogar einmal eine schwarze!
Meine Mutter:
"Einmal, das ist mir noch gut in Erinnerung, das liebe Kind schlief schon und ich las wie üblich noch im Bett. Irgendwann schweifte mein Blick durchs Zimmer und ich sah an der hellen Tapete -zig schwarze Punkte, die sich teilweise bewegten. Der ungewohnte Anblick veranlasste mich, diese Punkte an meiner sonst so makellosen Tapete näher in Augenschein zu nehmen. Zu meinem Entsetzen entdeckte ich, dass diese Punkte hunderte von entkommenen Spinnen waren, die als Nahrung für die Eidechsen gedacht waren. Voller Ekel weckte ich meinen Sprössling und befahl ihm, die Viecher wieder einzusammeln und einzusperren, sein Kommentar:’Wegen der paar Spinnen weckst Du mich extra?!’"
"Eines Tages überraschte mich mein Knabe strahlend mit einer neuen Errungenschaft: Ein Krokodil! Meine Begeisterung war grenzenlos. Sie steigerte sich noch, als ich erfuhr, dass das Untier bis zwei Meter lang wird. Unsere Sympathien waren gegenseitig getrübt. Eduard, so wurde das Vieh genannt, fauchte, wenn es mich sah und ich hatte Angst vor dem zukünftigen Menschenfresser und grübelte viel nach, wie wir ihn wieder loswerden könnten. Beim Fleischer kaufte ich für wenig Geld Innereien, für unser Krokodil, sagte ich verschämt. Keiner wollte glauben, dass wir sowas in der Wohnung hatten. Bald darauf fuhr der liebe Sohn zum Studium nach Wien und wollte mir Eduard hinterlassen. Ich weigerte mich mit Recht, dieses Erbe anzutreten und so landete Eduard im Zoo."
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Der Schulverweis
Na, da hab ich mir wieder was geleistet: Matura-Klassenreise.
Zuvor erklärte uns Herr Depuis, es war unser Kunstlehrer, Franzose: "Eine Reise ohne Beischlaf ist wie eine Oper ohne Musik!", aber wir waren damals alle noch nicht soweit.
Die Reise führte in den Bayrischen Wald:
Natürlich gab’s da auch Schlangen und ein Klassenkamerad, Michael Bauer, wollte mir während einer Wanderung zeigen, dass auch er Schlangen fangen kann. Konnte er auch, nur beachtete er nicht, dass nicht alle Schlangen so harmlos wie Ringelnattern sind, er vergriff sich an einer Kreuzotter, die ihn natürlich biss. Er kam in’s Spital. Ich rächte den Biss, und zog ihr das Fell über die Ohren. Ich stand als Held da, heute tut’s mir leid.
Dieser Kamerad hatte auch Stinkbomben organisiert, mit der er den Aufenthalt im Schlafraum unerträglich gestaltete. Dies verteilte er auch großzügig mit der Aufforderung, selbst geeignete Orte für deren Anwendung zu finden.
Ich fand einen: Es war das volle Gasthaus an der Zonengrenze bei der Rückreise, in das wir einkehrten. Das Lokal leerte sich schnell und ich wurde natürlich verpetzt.
Zwei Wochen danach gab es die große Lehrerkonferenz, in der es um meinen Kopf wegen dieser zwei Vorfälle ging. Nur meinem Schuldirektor Siedentop, der mich irgendwie ins Herz geschlossen hatte, verdanke ich mein überleben.
Ein Fußballspiel am Anfang dieser Klassenreise gegen eine Dorfmannschaft hatte auch seine Folgen hinterlassen, ich bekam nämlich einen harten Tritt gegen meinen rechten Knöchel, dieser schwoll auch sehr schnell an und war äußerst schmerzhaft, besonders beim Gehen.
Verstaucht konstatierte der Arzt und alle gaben sich damit zufrieden. Doch die Schwellung wollte auch nach fünf Wochen nicht zurückgehen, obwohl der Schmerz mit der Zeit nachlies. Das brachte mich auf eine Idee: Ich hörte, dass man im Krankenhaus Oskar-Helenen-Heim auch bei Verstauchungen einen Gips bekam. Und eine Französischarbeit stand vor der Tür, die mußte ich aus taktischen Gründen versuchen zu umgehen, waren doch meine Vokabelkenntnisse im Moment nicht auf Schulniveau und mir fehlte auch die Zeit, sie mir noch rechtzeitig anzueignen. Aber ein Gips am Fuß lieferte sicher keine gute Ausrede, es mußte einer auf der Hand her. Ich fuhr daher zur Krumme Lanke mit dem Fahrrad und bat meinen Freund Norbert, mir doch ein paarmal auf die rechte Hand zu treten, damit sie verstaucht aussehen möge.
Er kam meinem Wunsch nach, doch auch nach zehn Tritten war weder ein blauer Fleck sichtbar noch eine ordentliche Schwellung zu sehen, nur ein paar Hautabschürfungen. Aber das sollte doch reichen.
Ich radelte also ins besagte Krankenhaus und erklärte einen Fahrradunfall, und zur Unterstützung meiner Aussage zeigte ich den immer noch verdickten Knöchel.
"Ja, es tut mir leid", sagte der herauskommende Arzt, nachdem er die Röntgenbilder begutachtet hatte, "ist gebrochen." "Was?", fragte ich verwundert, die Ramponierung meiner Hand war doch gar nicht so schmerzhaft gewesen. "Was, die Hand ist gebrochen?" - "Nein, der Fuß!" So bekam ich einen Gipsfuß und einen Gipsarm und die Französischarbeit fiel für mich aus.
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Ein Montag
Einer wie jeder andere, nur noch brutaler. Ich bin in dieser Richtung abergläubisch, der Montag ist mein Pechtag, war es schon immer, wenigstens soweit ich mich zurückerinnern kann. Es mißglückte mir einfach alles, ich ging jeder Prüfung aus dem Weg, die auf einen Montag fiel, wollte am liebsten zu Hause im Bett bleiben, und heute ist auch Montag, Montag der zweite Oktober 1978.
Letzten Dienstag nach dem Schachspielen traf ich meine Frau Elisabeth gegen 22 Uhr im Café Museum. Sie wartete dort schon auf mich bei einem Glas Milch. Sie freute sich, mich zu sehen. Dazu muss ich sagen, dass wir nicht zusammen wohnen, jeder geht so seiner Wege. Sie war sehr gut aufgelegt, was sehr selten bei ihr der Fall ist, denn meist ist sie deprimiert und fragte mich, ob ich sie noch liebe, was ich zugeben musste. Und, ob ich nicht mit ihr ein richtiges Familienleben führen wolle, worauf ich eine ausweichende Antwort gab.
Eigentlich wollte ich sie diesen Abend in den Marchfelderhof zum Essen einladen, doch es war ihr schon zu spät. Sie erzählte mir von den Kanadiern, die sie kennengelernt hatte, und dass diese sehr religiös wären, sie eigentlich auch katholisch erzogen wäre, und dass sie zu viert eine Nacht im Bett verbracht hätten.
Gegen solche Religionsfanatiker hatte ich schon immer etwas, aber ich wollte sie kennenlernen, ich wollte einfach mal wieder neue Leute kennenlernen, aber sie wollte mich nicht mitnehmen:
"Du redest immer nur vom Ficken, da blamier ich mich mit Dir". "Nein", sagte ich, "das mach ich nur bei Dir!"
"Ich möchte das Bild mit der Frau am Kreuz von Dir haben, nur geborgt, gibst Du es mir?" Dieses Bild trägt den Titel: "Durch die Seele fließt kein Blut" und zeigt eine gekreuzigte Frau, vor ihr kniet ein Mann, der in erhobenen Händen einen Blumenstrauß hält. Merkwürdig, warum ausgerechnet dieses Bild?
Ich empfand sie als etwas euphorisch und wurde mißtrauisch - wieder eine manische Phase? Sie hat überhaupt nicht geschlafen, das passte ja dazu. Sie habe mit dem lieben Gott geschlafen, Michael, der ist wie Gott, ein Deutscher, der zum Wochenende in Wien war. "Ich liebe alle Menschen!" erwiderte sie, als ich fragte, ob sie mich denn noch liebe.
Ich begleitete sie zur Stadtbahn und schlief bei Hilde. Freitag in der früh rief sie mich an, sie hatte schon wieder nicht geschlafen, die manische Phase war da. Am Abend saß ich bei Roland, als Elisabeth plötzlich auftauchte, sie kam von den Kanadiern. In’s Café Hummel wollte sie auch nicht mit, sondern lieber den Abend bei Frau Homa, die unter ihr wohnt, verbringen. Am Samstag habe sie auch keine Zeit, da führt sie ihre Mutter hinaus auf’s Land, und die Nacht verbringt sie mit den Kanadiern.
Sonntag abend schrieb ich bei Hilde an dem Stück: 2. Flaschensatz: Jedem Pferd sein Fleisch. Roland rief mich dort um halb Eins in der Nacht an, Hilde und ihre Freundin Teeni machten gerade Yoga, und erzählte, dass die Lisl schon wieder spinnt, sie erzähle was von Spinnen, und ob er spanisch könne und außerdem wollte sie ihm etwas aus einem Pornoheft vorlesen. Ein gewisser Leo sei auch noch bei ihr, fuhr Roland fort und betonte, dass man sie morgen unbedingt zum Arzt bringen müsse. Außerdem soll ich mich endlich trennen von ihr, weil ich als Ehemann schließlich für sie aufkommen müsse und ich solle doch an meine Zukunft denken. Es war Gefahr im Verzuge, ich wusste es und wollte sie am nächsten Morgen gleich anrufen. Bei Hilde gab es nach dem Anruf gleich ein Theater: "Muss der Roland jetzt die Lisl-Geschichten schon zu mir in die Wohnung tragen?!, der darf überhaupt nicht mehr hier anrufen!" Es wurde eine angespannte Nacht, ich hatte es satt!
In der Früh um acht rief ich Elisabeth an, doch es hob niemand ab. Vom Büro rief ich Roland an, der meinte, ich solle den Ringel anrufen, ihm die Sachlage schildern und wegen möglicher Vorbeugemaßnahmen fragen. Das machte ich auch.
"Winkelmann, - Winkelmann?? Ah ja, ist das nicht die Frau Doktor, die mich eines Nachts aus dem Bett holte?! Warten Sie einen Augenblick, ich habe heute den Anruf von der Rettung wegen eines Suizidversuchs bekommen, rufen Sie die Rettung an, und fragen Sie, in welchem Krankenhaus sie liegt, und rufen Sie mich dann wieder an, ich werde mich um den Fall kümmern.
Sie lag im Meidlinger Unfall-Krankenhaus, ich war zehn Minuten später dort.
Doppelter Oberschenkelbruch, Nasenbeinbruch, Zähne verloren, schwere Gehirnerschütterung.
Ein Montag.
Als ich ihre Mutter anrief, machte diese mir Vorwürfe, dass Elisabeth einen Mann hätte, der sie nicht erhält, sie hätte ihr schließlich zum Doktorat verholfen, mehr könnte sie ja nun wirklich nicht tun.
Die Krankenschwestern wunderten sich nicht über die Handlung meiner Frau: "Bei der Mutter." Ich meldete mich krank und fuhr in Elisabeths Wohnung, um nach der Adresse der Kanadier zu suchen, dabei fand ich auch ihre Niederschrift: "Ich will nicht schreiben, ich will leben!" Von den Nachbarn erfuhr ich, dass sie die Nacht mit einem Taxifahrer verbracht hatte. Raffael, einer der Kanadier, war nicht zu Hause, doch rief er mich zurück: Ich solle ihm doch morgen nach meinem Spitalsbesuch berichten, wie es Ihr geht.
Ich werde es nicht tun.
Es ist jetzt zehn nach zwölf und somit Dienstag, ich gehe jetzt schlafen. Ich habe keine Lust, Hilde jetzt zu sehen. Mein Klapperschlangenkind ist gestorben.
Lisl sprach im Spital meist englisch.
Nicht alles was entsteht, ist wert, dass es zugrunde geht!
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Die Nebelkrähe
Sie war ganz nass und konnte nicht mehr fliegen, und so nahm ich sie mit nach Haus, um sie wieder aufzupäppeln. Mit viel Geduld versuchte ich ihr drei Tage lang das Sprechen beizubringen. Das misslang, und so entließ ich sie beim nächsten schönen Wetter wieder in den Wald.
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Auf des Messers Schneide
Der Wald rund um die Krumme Lanke gehörte uns, Norbert und mir. Auch das Fenn war unser Territorium. Wir bauten Höhlen, bauten Brücken, kletterten auf Bäume und rannten in der Badehose durch Brennesseln. Und als richtige Indianer lernten wir auch mit dem Messer so zu werfen, dass wir sogar Mäuse killten.
Ein Eindringling kam in unser Revier, ohne uns den nötigen Respekt zu zollen. Er stand an eine Kiefer gelehnt und dachte überhaupt nicht daran, den Wald zu verlassen. Wie ein Reflex zog ich mein Messer und warf es ihm genau neben sein Ohr. Einige Minuten starr vor Entsetzen blieb er wie gelähmt, dann rannte er davon. Hätte ich schlecht geworfen, sähe mein Leben heute wohl anders aus.
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Abschied von der Clusiusgasse
Es war die erste Bleibe in Wien, gleich beim Franz-Josephs-Bahnhof, ein Untermietzimmer bei Frau Schäffler, Clusiusgasse 14 Tür 9.
Rainer von Aufschneiter, ein südtiroler Graf, wohnte im Nebenzimmer, ein richtiges Zimmer, mit drei Fenstern und ein bißchen Platz, ich dagegen in einem kleinen Schlauch, der als Kabinett bezeichnet wurde. Ich hasste dieses Zimmer, lauter weiße Möbel, ich kam mir vor wie im Krankenhaus. Ein weißes Bett, ein weißer Schreibtisch, ein weißes Tischchen, ein weißes Regal und zwei weiße Stühle, in österreich Sessel genannt, waren die Einrichtung, - von Gemütlichkeit fehlte jede Spur.
Herrenbesuche waren unerwünscht, Damenbesuche überhaupt verboten! Das erste Jahr in Wien war grauslich, und die Sitten waren mir fremd. Ging man in ein Café-Haus, so setzte sich jeder allein an einen Tisch, außer beim Heurigen ging alles sehr distanziert von statten. Dort jedoch, in seliger Weinlaune, wurde zwar auch nicht hinter der Hand gehalten, was man von den Deutschen hielt, doch man sprach wenigstens mit ihnen, wobei die Kellner fast immer versuchten, die Rechnungen zu ihren Gunsten auszustellen. Damit, dass dort entstehende Verabredungen nie eingehalten wurden, hatte ich auch Probleme, und das Austauschen von Telefonnummern war eigentlich nur ein Ritual.
Es war schwierig, Freunde zu finden, vor lauter Frust ging ich fast jeden Tag ins Kino. Auf der Uni lernte ich dann Franz beim Boxen kennen, ein Psychogiestudent. Er spielte auch gut Schach und so lud ich ihn einmal zu mir ein. Rainer, mein Mitbewohner war auch zu Hause, wir waren zu dritt und ich machte den Vorschlag Skat zu spielen. Wir setzten uns in Rainer’s Zimmer, er hatte sogar eine Flasche Wein daheim, und hatten einen vergnüglichen Abend. Gegen 21 Uhr kam unsere Wirtin ins Zimmer und erklärte, dass der Herr aber bis spätestens 22 Uhr zu gehen habe.
Nachdem wir nicht laut waren, sahen wir darin eine massive Einschränkung. Um 22 Uhr betrat sie dann nochmals den Raum und forderte uns auf, das Beisammensein aufzulösen. Franz wollte daraufhin aufstehen, doch hielt ich ihn zurück. "Dann rufe ich die Polizei" sagte Frau Schäffler und ging zum Telefon. "Tun Sie das" war meine Antwort und wir spielten einfach weiter.
Ein Polizist erschien mit der Wirtin und fragte uns: "Was tun Sie hier?" - "Wir spielen Karten".
Und zur Vermieterin gewandt: "Ja, da kann ich leider nichts tun", dann ging er wieder. Wir spielten noch bis Mitternacht und es wurde uns klar, dass sind unhaltbare Zustände, da muss sich etwas ändern! Telefonieren konnten wir auch nicht mehr, nachdem ein Telefonschloss angebracht wurde. Doch Rainer kannte einen Trick, mit dem es trotzdem möglich wurde: Er klopfte nämlich in gleichmäßigen Abständen mit dem Finger auf die Telefongabel, für eine Eins ein Mal, für eine Neun neun Mal. Um eine Null zu wählen, musste zehn Mal der richtige Takt gelingen, und diese Null war für Ferngespräche natürlich von besonderer Bedeutung.
Die Telefonrechnung stieg, wir aber wussten nicht wieso, vielleicht kann die Post nicht richtig rechnen...
Rainer suchte schon über ein Vermittlungsbüro eine Wohnung und ich beschloss, auch auszuziehen. Jede Wohnung, die er nicht nahm, schaute ich mir an, und es klappte, wir hatten den gleichen Umzugstermin. Für den letzten Tag in dieser Wohnung überlegten wir uns noch einige Streiche.
Frau Schäffler war nicht zu Hause, und so stellten wir auf die angelehnten Türen mit Wasser gefüllte Plastikbecher, die sich, wenn die Tür geöffnet würde, über die liebe Wirtin ergießen würden. Allein die Vorstellung bereitete uns Vergnügen.
Und da gab es noch die Toilette, diese war nur mit Hilfe eines Riegels von innen versperrbar. Ich legte einen dünnen Faden um diesen Riegel, schloss die Tür und zog mit Hilfe des Fadens den Riegel zu, anschließend entfernte ich den Faden, die Klotür war nicht mehr zu öffnen.
Als unsere Wirtin beim Nachhausekommen die erste Dusche erhielt, verschwand sie sofort in der Küche, doch auch da kam das Wasser von oben. Nun wurde es aber Zeit, hier zu verschwinden, und ohne uns zu verabschieden verließen wir mit einem Grinsen ob der noch zu erwartenden Ereignisse diese Wohnung. Die weiteren Geschehnisse konnten wir uns leider nur in der Fantasie ausmalen.
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Schach in Basel
Eine Woche lebte ich bei meinem Vater in der Schweiz. Wir spielten viele Partien Schach, bis auf eine gewann ich alle, aber diese eine wurde mir eine gute Lehre:
Ich war so überlegen, hatte sechs Damen und spielte Katz und Maus mit ihm. Dabei verlor ich die Aufmerksamkeit und mit einem überraschungszug setzte mich mein Vater matt. Die Moral der Geschicht: Und wenn man noch so gut darsteht, verliere man die Kontrolle nicht!
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50 Frösche
In der Brigittenauer Lände Nr. 16 bewohnte ich auch ein Kabinett, die Wirtin war lieb. Eine nette ältere Dame. Einmal überraschte ich sie, als sie sich entkleidet in der Küche wusch, sie sagte nur "Huch!". Damenbesuch durfte ich auch haben und sie erlaubte mir sogar die Haltung einer Grasnatter!
"Wenn sie keinen Dreck und keinen Lärm macht, meinetwegen."
Die Grasnatter war sehr schön, grasgrün mit großen schwarzen Augen. Sie gefiel sogar meiner Wirtin, auch dass sie sich von Fröschen ernährte, schien sie nicht zu stören.
Ein bevorstehender längerer Aufenthalt in Berlin veranlasste mich, ihr zu erklären, wie meine Grasnatter zu versorgen sei.
Ich besorgte fünfzig Frösche als Vorrat, - ich konnte nun wirklich nicht von meiner Vermieterin verlangen, in den Wald zu gehen und Frösche zu fangen - , die kamen in einen gesonderten Behälter und wurden kühl gestellt.
Nach meiner Rückkehr erfuhr ich von ihr, dass sie beim Putzen das Aufbewahrungsgefäß der Frösche umgeworfen hatte und die lieben Tierchen in der ganzen Wohnung herumgehupft waren. Und sie hatte sich redlich bemüht, alle wieder einzufangen. Einen fand ich Monate später vertrocknet unter meinem Bett.
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Trimeresurus sumatranus
Endlich eine eigene Wohnung, ha, da konnte man auch Giftschlangen halten!
Eine Tailändische Lanzenotter bezog alsbald bei mir Quartier. Eine schlanke grüne Baumschlange, Mäuse fressend.
Beim Säubern des Terrariums läutete das Telefon, und ich vergaß das Terrarium zu schließen.
Und schon war sie verschwunden. Suchen. Schlangen sind Meister im Verstecken. Das Regal, in dem das Terrarium stand, reichte bis zur Decke und war voll mit Büchern und die Stereo-Anlage samt Verkabelung war auch nicht dazu angetan, meine Suche zu erleichtern. Es gab genug Verstecke. In einer Stunde war das Regal durchsucht, doch dort war sie nicht! Ich konnte sie nicht finden! Was tun?
Ich zog mir meine Stiefel an und suchte nochmals. Wieder nichts. Mein Hochbett erschien mir auch nicht als sicherer Aufenthaltsort, war meine Lanzenotter doch ein ausgezeichneter Kletterspezialist.
Da kam mir die Idee: Es war Winter, und tropische Schlangen mögen keine Kälte. Ich riss die Fenster auf und löschte den ölofen. Es wurde kalt. Bei zehn Grad pendelte sich die Zimmertemperatur ein. Trotz weiterer Suche in den nächsten Tagen, war das Tier nicht aufzufinden. Und bei zehn Grad war das Wohnen auch nicht besonders angenehm.
Wo habe ich noch nicht gesucht?, fragte ich mich. Und dann kam es mir: Im ölofen. Nach Abnahme der Verkleidung lag sie da, zusammengeringelt und sehr träge. Sie kam wieder ins Terrarium und ich konnte wieder einheizen.
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Das Vampiropfer
Für diesen Abend hatte ich mir Sandy eingeladen. Da musste es schön sein in meiner Wohnung.
Das beinhaltete auch eine Neugestaltung meines großen Terrariums, indem sich fünf Klapperschlangen befanden, Crotalus scutulatus.
Diese Gattung hat ein besonders böses Gift, es ist nämlich zwei-komponentig. Sie haben sowohl ein blutzersetzendes als auch ein Nervengift.
Zum Säubern eines Terrariums mit Giftschlangen empfielt es sich, diese vorher aus ihrer Behausung zu entfernen. Das tat ich auch. Normalerweise sind Klapperschlangen sehr friedliebende Wesen, auch nicht agressiv, wenn man ihnen mit Ruhe begegnet, und so ist es auch einfach, sie umzusetzen. Man nimmt einen Haken, schiebt ihn unter das Tier und hebt es einfach auf.
Mit vieren ging dieses Verfahren einwandfrei, doch eine war höchst verstört, schnellte ein paar mal mit dem Kopf in meine Richtung, zischte und klapperte wild mit ihrem Schwanz.
Bist Du nicht willig, gebrauch ich Gewalt, dachte ich mir und holte mein Stöckchen, an dem eine Lederschlaufe befestigt war.
Eingefangen war sie schnell, Schlinge zugezogen, ab ins andere Terrarium. Dies war eins, bei dem es oben ein enges Gitter zum Zuschieben gab.
Die vorher übersiedelten vier Reptilien hatten es sich inzwischen schon gemütlich gemacht. Doch als ich das wild am Stock zappelnde Tier zu ihnen setzen wollte, wurden auch sie unruhig. Jetzt fing ein Problem an, es ließ sich nämlich die Schlaufe nicht gleich lösen und die Beunruhigung der anderen nahm zu. Bevor sie mir jetzt alle in der Wohnung herumspazieren, dachte ich, schieb ich das Gitter soweit wie möglich zu. Ein fataler Fehler, das gute Stück an meiner Schlinge erkannte sofort die Situation und biss einfach durchs Gitter.
"Scheiße, so sieht also das Sterben aus" waren meine Gedanken. In einer Minute war der Finger schwarz.
43 43 43 war die Telefonnummer der Giftzentrale in Wien, Serum hatte ich keins zu Hause, aber es meldete sich niemand, dafür klopfte es an der Tür.
Sandy kam herein und wurde von mir mit der Bemerkung begrüßt: Es wird leider nichts mit unserem Rendevous heute, weil ich werde jetzt sterben.
Unglaube war in ihrem Gesicht zu sehen, doch nachdem ich ihr meinen Finger gezeigt und den Hergang geschildert habe, war sie überzeugt. Auch mehrmalige Anrufe im Allgemeinen Krankenhaus führten nicht zum Erfolg, es hob niemand in der Giftzentrale ab.
Also hinfahren! Aber bei den ärzten war ich mir nicht so sicher, ob sie mit einem solchen Fall schon zu tun gehabt haben, und so nahm ich kurz entschlossen mein Fachbuch über Schlangenbisse mit, auf die optimale Behandlung zu hoffend.
So stapfte ich mit dem Buch unterm Arm in der Begleitung von Sandy zum Auto. Doch dieses wollte und wollte nicht anspringen, jetzt wurde ich doch etwas nervös, obwohl ich sonst weder Schmerzen noch übelkeit verspürte.
Es gelang schließlich doch, das Gefährt zu starten, der Portier erklärte uns den Weg zur Giftzentrale. Sie war im Keller eines der Türme untergebracht. Es war schon gegen 22 Uhr. Als wir an der Tür mit der entsprechenden Aufschrift klopften, öffnete niemand, es war überhaupt niemand zu sehen, der mir irgendwie weiterhelfen konnte. Mir gings immer noch gut.
Im zehnten Stock traf ich endlich eine Krankenschwester, der erklärte ich mein Problem. Ein kurzes Telefonat und ich begab mich wieder in den Keller.
Nun öffneten zwei Jungärzte die Tür. Ich schilderte, was passiert ist, schlug die Seite in meinem mitgebrachten Buch auf, deutete mit meinem Finger auf eine Stelle und sagte: "Dieses Serum möchte ich haben!" "Das haben wir nicht" bekam ich zur Antwort, "für diese Schlange haben wir kein Serum, aber wir haben ein Polyvalentes Serum, das sollte auch helfen". Nett, dachte ich, aber mir ging es immer noch gut. Sandy schaute zu.
Ein Arzt kam jetzt mit einer Riesenspritze, das müssen mindestens 20ml gewesen sein, auf mich zu und spritze mir den Inhalt in den Oberarm - später las ich, dass man den Inhalt am Körper verteilt zuführen soll. Und jetzt wollte er mir noch eine Spritze geben und ich fragte, wozu die denn sei. Das ist Tetanus, wurde mir erklärt, die muss man bei Schlangenbissen auf jeden Fall verabreichen.
Aber ich bin vor drei Wochen Tetanus geimpft worden, begehrte ich auf, das brauch ich nicht und wir fingen fast an, zu streiten. "Sie sind der Arzt, Sie müssen das verantworten" war meine Antwort und zu Sandy gewandt, komm, wir gehen.
Doch grad dass die beiden ärzte sich nicht auf die Knie geworfen haben, um mich zu bitten, doch zu bleiben, nur zur Beobachtung, nur bis morgen. Ich gab nach, verabschiedete mich von Sandy, und kam auf die Herzstation, ein Raum mit 40 Betten. Mein’s war ziemlich weit hinten.
Am nächten Morgen stand eine riesige ärztetraube um mein Bett, ich war die Sensation! Ich wollte jetzt aufstehen und gehen, doch sie ließen mir keine Chance. Stündlich nahmen sie mir Blut ab, ich kam mir vor, wie ein Vampiropfer. Aber auf der anderen Seite, konnte ich die Neugier der ärzte gut verstehen. So blieb ich eine Woche im Spital.
Schon wieder in der Arbeit, fing es mich an der Impfstelle zu jucken an. Um diese Jahreszeit gibt es keine Mücken. Doch es sah aus, wie ein Mückenstich.
Und dieser Mückenstich schien sich zu vermehren, bald war ich am ganzen Körper voller Dipeln, sie juckten fürchterlich. Ich ging nach Hause, die nächsten zwei Tage war ich nur mit Kratzen und Reiben meiner Oberfläche beschäftigt, dann wurde es mir zu bunt, ich ging wieder ins Spital.
Das ist eine Allergie, wurde mir offeriert, "Sie sind allergisch auf das Pferdeserum!" Viele Menschen sind schon am Schlangenserum gestorben, nicht am Schlangengift. "Wenn Sie das nächste Mal von einer Giftschlange gebissen werden, vermeiden Sie ein Pferdeserum, das kann schlimmer enden als der Biss. Verlangen Sie ein Kaninchenserum, die sind gut verträglich, aber es gibt das Kaninchenserum nicht überall.
Zuerst eine Salbe gegen den Juckreiz, und dann eine Cortisonbehandlung, in schwacher Dosierung, hieß es, haben mein Leiden geheilt.

Welchen Schluss kann man aus dieser Geschichte ziehen?

Zum Beispiel, dass Helfen oft mehr Schaden zufügt.

Und was noch?
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Militärlösung
Nach Bezug meiner ersten eigenen Wohnung am Brigittaplatz flatterten zwei Poststücke ins Haus. Der eine Brief war von der katholischen Kirche, ich solle 21 Jahre Kirchensteuer nachzahlen. Die spinnen ja, dachte ich mir und von nun an war ich Atheist. Der andere war ein Einberufungsbefehl vom Militär. Auch das noch. Voll tauglich, mit Waffe, und das, obwohl ich blind und taub war. Ich zum Militär, da sitze ich ja nur im Bau! Ich werd’ doch nicht so blöd sein, und mich von irgend so einem Typen tyrannisieren lassen.
Solange ich noch Student war, bekam ich Aufschub, später unterschrieb mein Professor, dass ich für dringende wissenschaftliche Arbeiten benötigt werde.
Doch in der Zwischenzeit hatte ich eine tolle Entdeckung gemacht, ich hatte eine Gesetzeslücke gefunden!
Der Einberufungsbefehl kam immer eingeschrieben, solch ein eingeschriebener Brief wurde aber nicht ins Ausland nachgesendet, sondern ging mit einem Vermerk der Unzustellbarkeit an den Absender zurück. Außerdem galt er als nicht zugestellt! Das war die Lösung. Ich ging zur Post und verfasste einen Nachsende-Auftrag nur für eingeschriebene Post nach Berlin! Das kostete mich im Vierteljahr acht Schilling.
Die normale Post erreichte mich weiterhin, die eingeschriebenen Briefe, die ich nicht haben wollte, bekam ich nicht. Die anderen wurden in einer nichteingeschriebenen Umschlag an mich zurückgesandt. Einmal erschien die Militärpolizei, vier Mann, bei mir und fragte, ob ich der Herr Winkelmann sei. Ich bejahte es. "Sind Sie der Herr Michael Winkelmann?" wurde die Frage spezifiziert. "Nein, das ist mein Bruder, und Sie wissen doch, der ist in Berlin!" antwortete ich, und so zogen die Vier wieder davon. Ich lachte. Irgendwann haben sie mich dann wohl vergessen. So entkam ich dem Militär.
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Charlotte Hering
Auf der Uni gab’s einen Aushang, eine Aushilfskraft für einen Umzug mit Führerschein wurde gesucht.
Eine kleine Firma übersiedelte. Ich half beim Einpacken und Einladen in einen LKW, 3,5 Tonner. Den fuhr ich dann auch nach Mödling hinaus. Bei diesem Umzug fiel mir das Gesamtwerk des Meyers Konversations- Lexikons aus dem Jahr 1890 in die Hände, die ich behalten konnte. Ich war glücklich. Ledergebunden und so herrliche Abbildungen. In meiner kleinen Behausung hatte ich aber keinen Platz für dieses sechzehnbändige Werk. Ich beschloss, diese Kunstwerke nach Berlin zu transferieren.
Da mir das mit dem Zoll zu umständlich erschien, beschloss ich, die Bücher von München aus zu schicken. Es war November und ich versuchte, von Wien nach München zu stoppen. An der Wiener Westausfahrt wartete ich vier Stunden, bis mich ein Auto mitnahm. Es fuhr bis Salzburg. Dort wartete ich nochmals vier Stunden, bis ich schließlich in München ankam, war es ein Uhr nachts. Kein Mensch mehr auf der Straße. Wo soll ich übernachten?
Da hinten ging ein Mädchen, die werd ich fragen, ob ich bei ihr übernachten kann.
Ich lief zu ihr und erklärte ihr meine Situation, und dass ich überhaupt nichts von ihr wolle, nur schlafen. Zu meinem Erstaunen willigte sie ein, sagte aber, dass wir leise sein müssen, und dass sie nur ein Bett hat. Ich war durchfroren und so kuschelte ich mich im Bett an sie und schlief gleich ein.
Ich schlief lang, Charlotte war schon auf. Ich suchte meine Socken und fand sie nicht, fragte Charlotte, ob sie wüsste, wo meine Socken wären.
"Die sind im Badezimmer." - "Wieso sind die im Badezimmer?"
"Ich hab sie gewaschen." - "Wieso wäscht Du meine Socken?"
"Ich mag keine stinkenden Socken"
Ich blieb noch drei Tage bei ihr, sie schrieb mir noch jahrelang wunderschöne Briefe. Ich würde sie gerne wieder treffen.
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1998
98 sterb’ ich durch die Hände einer Frau, dieses Orakel trag ich seit meinem 15 Lebensjahr mit mir herum. Das war praktisch, konnte ich doch bis dahin machen, was ich wollte, es konnte mir nichts passieren. Was heißt 98, heißt das 1998 oder heißt das im 98-ten Lebensjahr? Wenn ich dieses Jahr überleben sollte, werd ich wohl 98 Jahre alt werden. Heute ist der 15. 1. 1998, Atze ist gestorben. Atze war mein Graupapagei, zehn Jahre hat er mir durch seine wunderschönen Pfeifkonzerte Freude gemacht, bin ich morgens aus dem Bett in die Dusche gegangen, fing er an mit seinen unvergleichlichem Gesang, der mir gleich den Tag verschönerte. Und die anderen vier Kollegen stimmten ein. Jetzt sitzen sie da, scheinbar traurig, kein Ton kommt aus ihren Schnäbeln. Eine ungewohnte Ruhe. Die Hausmitbewohner liebten seine Melodien, war er doch ein Wildfang und brachte den Urwald in unsere Steinwüste, sie pfiffen wenn sie die Haustür öffneten in Erwartung einer Antwort. Ist 1998 ein Sterbejahr?
Als Kind hatte ich eine Würfelnatter, die hieß Vera. Am 24. März 1997 lernte ich Vera kennen, zart und zierlich. Ich nannte sie Schlängelchen. Doch sie ist eine Schlange. Die Grasnatter, die ich mir während unserer Liebe zulegte taufte ich Vera. Sie fraß nichts und verstarb am 10. dieses Monats. Die Liebe zu Vera auch? Ich habe Sehnsucht nach ihr. 15 Uhr 15, Vera ruft wieder an, nachdem sie sich seit 14 Tagen nicht gemeldet hat. Es wurde ein schönes Wochenende. Ich renovierte ihr das Badezimmer, das Vorzimmer und die Küche, nachdem fragte Sie mich: "was tust Du überhaupt für mich?"
Ein schöner Streit in einem Jazz-Keller beendete diese Folter.
Meine Mutter ist jetzt zweiundachzig Jahre. Oft gehe ich mit ihr in Baden zum Heurigen, leider ißt sie kaum noch etwas, und das schon seit Jahren. zwei, drei Achterln Wein, Neuburger, scheinen ihre Lebensgeister zu erhalten. Seit zwei Jahren hat sie einen eigenartigen Tick: Sie fragt nicht nur mich, sondern auch verschiedene Leute, auf der Straße oder beim Heurigen, wie spät es ist.
1998-02-28:
Ein Stand voller Lichter auf der Messe "Bauen und Wohnen". Eines dieser Lichter fing an, sich zu verändern, zeigte Anzeichen dafür, "Haben Sie am Abend schon was vor?"
"... ... ... ... mein Freund ... ... ".
1998-07-01:
Ich sitze da vor meinem PC und kann nicht machen, was ich will!
Warum nicht?
Widerspruch Taktik & Gefühl!!!!!
Scheiße!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Ich hasse Taktik bei Beziehungen !!!!!!
!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Und ich habe niemanden, mit dem ich darüber reden kann!
Eigentlich möchte ich (ich weiß immer noch nicht, wie ich sie nennen möchte (?))
Sie (=Isabella, = mein?, = wieso ich, = ich bin verrückt nach ihr, = das wird mir weh tun,) jetzt anrufen, aber ich bin im Wiglwagl.
22 Uhr 46: Es läuft der Anrufbeantworter:
Ich sag Ihr, dass ich es schreibe!
Sie ist so süüüüüüß! Bin total verknallt!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
Sie 29.
Ich 52. -
So zart.
Schreiend nach Leben.
Natürlich könnt ich sie verzaubern, will ich das?
Soll ich die Dinge, die mich befremden auch schreiben?
ZB., dass sie mit ihren Eltern auf Urlaub fährt?!????????
Am liebsten hätte sie mir, als ich das erste mal in ihrer Wohnung war, alle ihre Platten gleichzeitig vorgespielt.
Irgendwann Kettenregal montiert.
Isabella will in Karenz.
Mutter kommt ins Helenenheim.
1998-07-15:
Fahre mit Isabella gegen 16 Uhr nach Berlin: In Regensburg regnets, aber nur dort. Kein Stau. Kurz vor 2 Uhr morgens in Berlin, Dreilinden. Sind über die Schloßstraße zum Europazenter gefahren, einmal um die Kirche, Eierschale und Hoppegarten Sperrstunde.
1998-10-18:
Sonntag, ende einer Romanze, ohne Streit. Mir geht’s dreckig!
Die Menschen wollen nichts von mir.
"Lieb’ mich, schlag’ mich, beiß’ mich, - mach nur irgendwas mit mir! Bitte!"
Am 11.11. lernte ich bei einer Eröffnung des Lokales Clam in der Innenstadt drei liebe Frauen kennen. Die eine, Elisa, eine Freundin vom Mauerblümchen, gefiel mir so gut, sie hatte ein so feines Gesicht, leuchtende Augen, einen sinlich-fröhlichen Mund, das mir nichts anderes übrig blieb, sie anzusprechen. Sie stand mit einer anderen lieben kleinen zarten Frau an einem Tisch und unterhielt sich. Die Unterhaltung wurde gut, ich war fasziniert. Sie wohnt im 22. Bezirk und versprach, mich anzurufen. Hoffentlich tut sie es.
Später lernte ich noch Sylvia kennen, die nur zufällig ins Lokal kam und sich gerade von ihrem Liebsten getrennt hat. Alter Adel. Sie versprach auch mich anzurufen, fiel mir in ihrem Rausch um den Hals und wiederholte laufend, wie lieb sie mich hat. Heute ist der 14. 11. und ich bin neugierig.
Habe Sylvia einmal getroffen, ist mir zu gespritzt, besucht ständig die Sieveringer Sauna. Etc.
Im Clam Mauerblümchen getroffen, findet keinen lieben Mann, dabei ist sie so eine liebe Frau.
Die Männer san auch nicht ganz dicht. Elisa ist am Kontakt zu mir gehindert.
Inzwischen ist es der 1.12., mein Liebchen kam zu mir mit einem Frühstück! Sie war sehr lieb, will immer noch keine Enge (= Beziehung). Na gut, solange sie so lieb zu mir ist... Am Samstag fliegt sie mit ihrem Yoga-Lehrer nach Thailand für 10 Tage. Habe Muskelkater vom Schnackseln.
Abgefackelt wär ich fast, nachdem es so kalt war in den letzten Tagen, wollte ich den ölofen aktivieren, ich füllte den leeren Tank. Gemütlich warm. Vor dem Schlafengehen drehte ich den Ofen ab. Am nächsten Morgen roch es merkwürdig nach öl. Die Wanne hatte einen ölfilm, aber nirgends tropfte es. Vielleicht die Dichtung? Zange. Die Mutter saß so fest, dass ich sie mit meinen Mitteln nicht aufbrachte, ohne irgendetwas zu beschädigen. Und plötzlich ronn es, der öltank hatte ein Loch und war fast voll. Es wurde eine gröbere Aktion, das öl aus dem Tank zu bekommen und den kaputten ölofen aus der Wohnung. Seitdem kann ich nicht mehr heizen. Zur gleichen Zeit brannte das neu eröffnete Lokal Clam ab, Kabelbrannt hieß es.
Mein Liebchen ist wieder aus Thailand zurück und verwöhnte mich gleich in der Früh mit einem lieben Frühstück. So gute Schokolade brachte sie mit, ein liebes Würfelspiel, drei Flaschen Grapefruit-Saft und eine schöne Koralle.
Mein Töchterlein mag heute mit einem Typen zu mir schnackseln kommen "Uns wird schon warm werden", sagte sie am Telefon. Außerdem weinte sie sich über die Ungerechtigkeiten ihres Stiefvaters aus. Sie ist soo lieb!
27.12. Ich bin schon wieder total verknallt in mein Liebchen! Sie erzählte mir, dass sie mit Frau Sissi Vogel, das ist die Ex vom Ehemann meiner Ex, in der Sauna war.
Heute ist Sylvester und ich muss noch Vorbereitungen treffen, mein Liebchen ist arm, sie wird auch schon um neun Uhr früh, wenn sie ausschlafen könnte, von den Eltern telefonterrorisiert. Heute ist der letzte Tag von 1998, ich bin gespannt. Mein Liebchen wird mich nicht umbringen, oder doch?
Jetzt plötzlich plappern sie mir alles nach, erst gestern war eine Sendung im Radio mit dem Inhalt, dass es keine Zeit gibt.
Es ist 16 Uhr 40 und plötzlich beginnt die silberne Uhr meiner Mutter wieder an zu gehen, kurz nachdem ich sie anrief. Witzig! Die silberne Uhr zeigt genau ein halbe Stund mehr!
Führe noch ein paar Telefonate, schließlich will ich wieder nach Berlin!
Mama, ist lieb!
Josi nicht da.
Mit Lotte telefoniert, sie hat Angst vor mir. ich soll sie anrufen, sie ruft nie an!!!
Hufnagl, Telefonnummer suchen! Nicht gefunden.
31.12.1998:
Jetz geh ich zum Liebchen, 19 Uhr 46.
Mit ihr und ihrem südafrikanischen Freund Mark zum Stephansplatz. Das Sylvester war nicht meins. Das war ein Scheißjahr!
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1999
1.1.1999: 4,4,7 gewürfelt, Liebchen 2,2,9, sie will keine Beziehung, sie glaubt immer noch nicht, dass ich nach Berlin gehe!
Nachdem ich dieses Jahr 1998 überlebt habe, werd ich jetzt wohl 98 Jahre alt, das ist das Jahr 2043.
Ich muss mich am 11.1.1999 beim Arbeitsamt in Berlin melden. Will ich wirklich nach Berlin zurück?
Was soll ich tun???? Einfach schaun, was kommt?
3.1. Mit meinem Sohn telefoniert. Er ist im Moment beim Militär, Wals-Siezenheim-Kaserne in Salzburg, ich soll ihn dort besuchen. Am Dienstag, und übernacht bleiben. Die Zeit wird eng Samstag will ich fahren. Am Abend im Anton Frank und im Artmayer.
4.1.
Mein Liebchen möchte nicht, dass ich nach Berlin gehe, was heißt das? Ich muss mit ihr reden!
Scheißspiel!
Ich muss trommeln!
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In Berlin
Seit 11.1.1999 bin ich in Berlin, für drei Monate. Das Arbeitsamt und das EU-Abkommen haben es mir ermöglicht. Ich muss etwas mit der Wohnung hier tun. Meine Mutter liegt in Baden im Altersheim und kann sich kaum noch bewegen. Das Gewand meiner Mutter habe ich bereits der Kirche geschenkt, die schickt es nach Russland. Es tat mir weh, den Schrank zu räumen, Pelzjacken, Kostüme, Unterwäsche, alles hab ich hergegeben. Es ist kalt, ich muss mit Kohlen heizen, glücklicherweise gibt es noch einen kleinen Vorrat davon. Ich gehe viel zu Fuß, versuche die Eindrücke meiner Jugend aufzufrischen, doch es hat sich viel verändert.
Das Arbeitsamt ist nicht weit, die Angestellten sind sehr nett, viel freundlicher, als meine Betreuung in Wien. Angeblich werde ich am nächsten Ersten das Arbeitslosengeld mit der Post zugestellt bekommen, ich bin gespannt. Und viele Wege habe ich erledigt, meine Aufenthaltserlaubnis erneuert, einen neuen Führerschein beantragt - man weiß ja nie - , und bei der Pensionsversicherung war ich, um herauszubekommen, ob ich von meinen früheren Arbeitszeiten in Berlin einen Pensionsanspruch habe, aber das dauert noch und ist nicht so sicher. Mir fehlen ja noch eineinhalb Jahre, damit ich überhaupt einen Mindestanspruch für eine Pension habe.
Für das Wechseln von 5000 Schilling wurde eine Gebühr von 32 Mark eingehoben. Hundert Mark habe ich für eine Monatskarte der BVG bezahlt. Zwei Postsparbücher meiner Mutter haben meine finanzielle Lage etwas gemildert. Das Postamt wurde in den letzten drei Wochen zweimal überfallen.
Auf das Konto meiner Mutter habe ich keinen Zugriff, erst wenn sie gestorben ist. Von diesem Konto werden aber die Daueraufträge wie Miete, Telefon etc. abgewickelt. Wie lange wird die Miete noch bezahlt? Nachdem die Bank so unfreundlich ist, und mir nicht einmal Informationen gibt, denke ich, daß sie draufzahlt, da meine Mutter sicher einen überziehungsrahmen hat, ich werde die Schulden dann sicher nicht abdecken!
Für 600 Mark habe ich einen Computer erstanden, so kann ich wenigstens etwas arbeiten. Nachdem ich auch nur duschen kann, wenn ich den Ofen im Badezimmer mit Kohlen anheize, das dauert ungefähr zwei Stunden, habe ich mir angewöhnt, ins städtische Bad zu gehen. Das kostet vier Mark.
Nachdem das Kochgeschirr meiner Mutter viel zu wünschen übrig lässt, die Bratpfannen sind alle verbogen, was auf einem Elektroherd sehr unökonomisch ist, habe ich auch eine Pfanne für 17 Mark erstanden, ferner zwei größere Handtücher. Jetzt bin ich vierzehn Tage hier, und ich träume jede Nacht sehr intensiv!
Viermal habe ich schon Post von meinem Liebchen aus Wien bekommen, ich empfinde sie jedoch als sehr unpersönlich. Auf meinen neu gekauften Anrufbeantworter war die erste Nachricht von ihr: "Ich hab Dich lieb". Das hör ich mir immer wieder an. Hin und wieder ruft sie an, dann ist sie sehr lieb. Sie versorgt meine Haustiere in Wien, weiß noch nicht, ob sie mich in Berlin besuchen wird oder ob sie nach Südafrika auf Urlaub fliegt. Ich schreib ihr jede Woche zweimal.
Zwei Freunde hab ich noch in Berlin, Norbert und Bruni.
Norbert kann kaum noch gehen, er hat sich zu einem Krüppel gearbeitet, in einer Zigarettenfabrik, und, obwohl er weiß, was in den Zigaretten alles drinnen ist, raucht er wie ein Schlot, er braucht ja dafür nichts zu zahlen. Dafür hat er sich jedes Jahr einen neuen BMW gekauft. Er hat mich nie in Wien besucht, heute wäre es wohl auch nicht mehr möglich für ihn, auf mein Hochbett zu klettern. Und wenn er redet, ist er kaum zu bremsen, mit wem sollte er sonst auch reden. Mit seiner Nachbarin?
Am meisten bedauert er es, dass er keine Kinder hat, seine Eltern sind tot und sein Bruder hat sich den goldenen Schuss gesetzt. Von der Arbeit ist er so geschafft, dass er höchstens am Wochenende Zeit für ein Treffen hat.
Er hat mich jedoch immer verwöhnt, wenn wir ausgegangen sind, immer hat er meine Getränke bezahlt und mir billige Autos besorgt.
ähnlich geht es Bruni, sie arbeitet als Steuerberaterin, selbständig. Zwei hübsche Kinder hat sie, die Tochter ist 26 und lernt ebenfalls das Steuerrecht, ihr Sohn ist 15 und will Koch werden. Vorige Woche habe ich einen schönen Spaziergang mit ihr durch den Grunewald gemacht, von der Krumme Lanke bis zum Grunewaldturm. Sie hatte Blasen an den Füßen, aber es hat ihr Spaß gemacht. Von dem Erbe Ihrer Eltern möchte sie sich eine Eigentumswohnung in Steglitz kaufen, aber davon redet sie schon seit Jahren. Auch sie hat mir immer geholfen, mich zum Essen eingeladen, sie hat mir sogar ein Auto geschenkt. Oft hab ich ihre Liebhaber vertrieben, wenn ich nach Berlin kam, an Honse kann ich mich besonders erinnern, als ich bei ihr klingelte und er die Tür öffnete, ging ich einfach nur hinein und sagte: "Du musst jetzt leider geh’n!" Ich gab ihr den Tip, es vor der Jahrtausendwende zu tun, denn ein möglicher Bankencrash steht bevor. In den Nachrichten höre ich gerade, dass die Russen die Amis um Hilfe wegen Ihrer Atomraketen bitten. Heute hat es acht Grad, morgen soll es wieder kalt werden, darum werde ich jetzt spazieren gehen.
Ich bin durch die Riemeisterstraße geschlendert, ich liebe diese Straße mit den großen alten Bäumen, die so eine Ruhe ausstrahlen, außerdem gibt es so schöne Villen. Auch durch das Fischtal bin ich gegangen, die eine Birke, auf der ich als Kind so gerne gesessen bin, gibt es nicht mehr und der Teich ist leider verdreckt. Als ich durch die Reiherbeize kam, in der ich auch einmal wohnte und auf der Straße spielte, musste ich fesstellen, dass das heute nicht mehr möglich ist, da sie total verparkt ist, "Ecke - Kante" hieß das eine Spiel, zwei Spieler standen jeweils auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Einer warf einen Ball auf den gegenüberliegenden Rinnstein. Traf er ihn nicht, kam der andere Spieler dran, traf er ihn, und der Ball kam zurück, bekam man einen Punkt, sprang er zurück, ohne den Boden zu berühren und man fing ihn, erhielt man fünf Punkte, fing man den Ball nur mit der rechten Hand bekam man zehn Punkte, wurde er mit der linken Hand gefangen sogar zwanzig. Kam der Ball zurück und berührte dabei den eigenen Rinnstein, fing der Punktestand wieder bei Null an. Ein Satz meines Kunstlehrers Depuis ist mir eingefallen, den er der Klasse, bevor wir auf Klassenreise fuhren, wieder eingefallen: "Eine Reise ohne Beischlaf, ist wie eine Oper ohne Musik".
Schließlich bin ich in der Rodelhütte gelandet, das ist ein kleines Beisl, in dem ich schon als kleines Kind war, mit meiner Mutter, nach dem Rodeln. Dort sind sehr liebe Typen, wir haben uns mit Skat und einigen anderen ortseigenen Kartenspielen die Zeit vertrieben, das tat gut. Sind das meine letzten drei Monate in Berlin?, diese Gedanken schmerzen, ich hänge so sehr an Zehlendorf. Um zwei Uhr morgens bin ich dann zu Fuß nach Hause gegangen, eine Stunde habe ich gebraucht.
Es ist wieder kälter geworden. Im großen Zimmer, indem ich nicht heize, hat es minus zwei Grad, im kleinen Zimmer, indem ich heize und jetzt sitze hat es plus drei Grad. Meine Finger sind ganz klamm, so dass es mir kaum möglich ist, zu schreiben. Darum werde ich jetzt auch wieder in eine Kneipe gehen, in der es hoffentlich warm ist, obwohl ich nur noch zwanzig Mark besitze. Ich hoffe, dass morgen (1.2.99) ein Geld vom Arbeitsamt kommt, sonst wird’s sehr ungemütlich! Sie haben mich auf dem Arbeitsamt natürlich vergessen, telefonisch ist es nicht möglich zur entsprechenden Stelle durchzukommen. über Umwege schaffe ich es endlich doch, ich renne hin und bekomme 1000 DM Vorschuss. Na wenigstens etwas! Auf dem Weg dorthin schaute ich auf ein Halteverbotsschild, ich schloss das linke Auge und sah das Schild rund. Ich schloss das rechte Auge, und das Schild erschien noch leicht elliptisch, da ich im linken Auge auf der Netzhaut eine Blutung und eine Laserbehandlung hinter mir hatte. So dachte ich mir, ich könnte das linke Auge vielleicht trainieren, indem ich solange auf eine runde Scheibe schaue, bis mein Gehirn diese Fehlfunktion ausgleicht. In diesem Moment finde ich eine Mark!
Am Abend habe ich die Biedermeier-Kommode meiner Mutter aufgeräumt und dabei Briefe an mich gefunden, die waren so lieb und ich habe geheult, wie ein Schlosshund. Habe ihr daraufhin gleich noch einen Brief geschrieben.
Inzwischen bin ich einen Monat in Berlin. letzte Woche habe ich angefangen, Zettel mit der Wohnung in Zehlendorf zu verteilen.
Anrufe kamen genug, aber niemand wollte eine Wohnung mit Ofenheizung und viele wollten auch eine größere Wohnung. Jetzt habe ich neue Zettel an Laternenmaste und Bäume angebracht, auf denen auch die Größe der Wohnung (60 m2), der Mietpreis (500 DM) draufsteht, außerdem dass die Wohnung eine Ofenheizung hat, Argument:
Survivel-Wohnung.
Gestern Abend hatte ich eine Vorstellung meiner Würfel im Café Anneliese. 50 Würfelsätze habe ich mir dafür aus Wien mit EMS schicken lassen, das Paket hat über 500 öS gekostet, drei Würfelsätze habe ich verkauft und zwei Bücher: Außer Spesen nichts gewesen!
Die Zettel mit dem Wohnungsangebot werden von den Bäumen gerissen. Das schreit nach Rache, ich werde ein bißchen graue Magie machen müssen!
Mit Bruni und Norbert bin ich essen gegangen. Bruni sieht schlecht aus. Norbert war wieder nicht zu bremsen, er ließ niemanden zu Wort kommen und erzählte immer das selbe, offensichtlich hat er niemanden, mit dem er sonst reden kann, er tut mir leid. Bruni will ihn mit einer hübschen Italienerin verkuppeln, sie verabreden eine Reise ans Mittelmeer. Erst als wir gehen bemerkt Bruni, wie schlecht Norbert gehen kann und meint, dass sie nicht mit Norbert zu Ihrer Freundin fahren wird. Norbert war lieb, und hat mir eine CD mit einem CAD-Programm mitgebracht.
Sebastian, der Inhaber der Zehlendorfer ölmühle, hat sich in die Angestellte Sophie des Café Anneliese verliebt, sie in ihn noch mehr scheint es, sie strahlt wenn sie ihn sieht, es macht Freude, die beiden zu beobachten, beide sind sehr schöne Menschen. Er hat einen Untermieter für die Wohnung hier und außerdem will er mal nach Wien und kann auch die Biedermeier-Kommode mitnehmen. Ob’s wahr wird?
Gestern war ich im "Schwarzen Adler". Mit dieser Kneipe verbinde ich eine besondere Erinnerung. Vor vielen Jahren, als ich noch in Wien studierte und nur zu Weihnachten nach Berlin kam, war ich dort Billard spielen. Dabei lernte ich einen Mann kennen, der mich anschließend fragte, ob wir uns nicht am nächsten Tag wieder zu einer Billard-Partie treffen könnten. Nein, sagte ich, denn ich fahre morgen wieder nach Wien und komme erst nächstes Jahr wieder. Na, dann treffen wir uns nächstes Jahr zum ersten Weihnachtsfeiertag wieder hier, meinte er. Gut, einverstanden. So geschah es, fünf Jahre lang, immer am ersten Weihnachtsfeiertag! Im sechsten Jahr war der Schwarze Adler geschlossen. Das war ein tolles Erlebnis, dazu muss ich sagen, dass, wenn ich mich in Wien beim Heurigen nur für die nächste Woche verabredet habe, diese Verabredungen nie eingehalten wurden. Ein 83-jähriger Ostpreusse saß an meinem Tisch, 54 Jahre war er glücklich verheiratet, vor vier Wochen ist seine Frau an Krebs verschieden. Er weinte. Eineinhalb Jahre dauerte ihr sterben. Und dabei meinte sie noch, dass sie immer glaubte, ihn einmal zu pflegen, da er schwer kriegsversehrt ist, er hat ein Holzbein und sein Arm ist auch durchlöchert. Es war eine gute Unterhaltung. Ein lieber Mann!
Gestern abend war ich an der Krumme Lanke. Ich bin durchs Fenn gegangen, man kann jetzt wieder durchgehen, denn der Zufluss wurde zugeschüttet. Wildschweinspuren überall. Eine Buche am Anfang habe ich markiert.
An der alten Badestelle habe ich die Dunkelheit abgewartet. In der Mitte des Sees war noch eine dünne Eisschicht. Es wurde ruhig, nur die Enten schnatterten noch, und ein Bläshahn verfolgte ein Weibchen, welches sich durch tauchen zu entziehen suchte. Die Autos auf der Avus waren deutlich zu hören, mir kamen sie lauter als früher vor. Ein Hubschrauber zerriss die Ruhe. Das Licht am Brunnen des Wasserwerkes leuchtete kalt und ein ganz feiner Nieselregen kam auf. Die Schwermut ergriff mich und ließen ein paar Tränen rinnen. Die Erinnerung an meine Jugend. Ich wartete auf ein Geräusch, ein Geräusch, das ich schon als Kind liebte, ein Geräusch aus der Ferne, ein Geräusch, das in mir Fernweh erzeugte, das Geräusch war das Rattern eines Zuges in der Ferne. Doch es kam nicht! So ging ich im stockdunklen Wald zur Rodelhütte und ließ noch mal meinen Pfiff erschallen, mit dem ich früher immer den Norbert gerufen habe. Es antwortete niemand.
Es ist Samstag, 1 Uhr 50, in 5 Minuten fahre ich nach Hamburg zur Stegerin. Ich hatte zwar eine Zugkarte gekauft, 35 DM mit Bummelzügen, doch ein Trödler, der zuvor einige Sachen meiner Mutter erstanden hatte, einen Globus, ein paar Schalen und Bilderrahmen, Vasen und Porzellanfiguren für 200 DM, fährt mit dem Auto nach Hamburg und will mich mitnehmen, so brauche ich nur zwei Stunden, statt sechs.
Heute ist Montag, und das Wochenende in Hamburg war herrlich. Ich werde meine Verwandten suchen, mein Oper war Hamburger: Friedrich Winkelmann, Eisenbahner, geboren am 13.3.1895 in Glubenstein. Wolfi, Stegerins Mann, hätte schon in Hamburg sein sollen, doch er bekam keinen Platz im Flugzeug. Ich kam um fünf Uhr früh an, doch an Schlaf war nicht zu denken, da die Stegerin entweder mit Wolfi oder mit dem Flughafen Friedrichshafen telefonierte. Es war wenigstens warm. Ein Videofilm lag im Regal: ödipussi von Loriot, da geht es auch um einen Winkelmann. Witzig!
Wolfi kam dann gegen 15 Uhr und wir spazierten ein bißchen durch die Stadt. Auf der Reeperbahn lockte uns ein Türsteher mit folgenden Worten: "Kommt doch hinein, dann habt ihr es hinter Euch!" Das hat mir gefallen.
In einem Sexshop in der Lederabteilung kommt ein junger Schicki-Micki, verlangt nach dem Geschäftsführer und sagt, dass er heute auf eine SM-Party geht und dafür eine entsprechende Kleidung braucht.
Abends sind wir ins Tivoli gegangen, "Fifty, Fifty" haben sie gespielt, ich habe Tränen gelacht! Am Sonntag stand eine Hafenrundfahrt bei schönem Wetter auf dem Programm. Dann trafen wir noch einen ehemaligen Arbeitskollegen und um 18 Uhr 30 setze ich mich in den Zug und fuhr zurück nach Berlin, sechs Stunden.
Heute am Montag geht es mir gar nicht so gut, da sich mein Liebchen noch nicht gemeldet hat, sie wollte doch nur eine Woche in Südafrika bleiben, hätte also letzten Donnerstag wieder in Wien sein müssen. Mein Traum vom 23. 2. fällt mir immer wieder ein. Keine Post, kein Anruf. Warum?
Ich fragte meine Würfel, die meinten, dass es einen anderen gibt, ich will es nicht glauben!
Der 28.2. ist unser Jahrestag.
Ein Abendspaziergang durch den Wald tat gut. Die alte Eiche, an der sich mal ein Mann aufhängte, liegt immer noch, zum Teil verrottet, an ihrem Platz. Wildschweinrotten mit ihren Frischlingen rannten an mir vorbei. Eine kleine Eibe, die ich im Fenn entdeckte, werde ich nach Wien entführen!
Es ist Donnerstag, und ich habe immer noch keine Nachricht vom Liebchen!
Heute gibt es ein Klangschalenabend im Café Anneliese.
18 Uhr, das Telefon klingelt, mein Liebchen ist dran, sie hat sich verliebt, erzählt sie freudestrahlend.
Hab ich’s doch gewußt!
4.3: Ich sitze im Café Anneliese und mir laufen die Tränen herunter. Nach meinem Traum hab ich gewürfelt, ich habe die Würfel befragt, ob mein Liebchen mich liebt, die Würfel sagten nein, ich wollte es nicht glauben und würfelte wieder, im Wald, im Wasser der Krummen Lanke, im Fenn, die Würfel sagten nein, ich wollte es nicht glauben. Ich fragte die Würfel, ob sie mit einem anderen Mann geschlafen hat, die Würfel sagten ja, ich wollte es nicht glauben und würfelte nochmals, die Würfel sagten ja, ich wollte es nicht glauben......ich wollte es nicht glauben. Ich war ihr treu.
Ich hoffe, ich werde jetzt das Angebot von Corinna annehmen, sie hat mir eine SM-Nacht angeboten, ich werde sie anrufen, das brauch ich jetzt, das will ich jetzt! Ich denke, ich werde keiner Frau mehr treu sein, wozu auch, das machen, was im Moment Spaß macht, scheiß auf die anderen!
Ein Jahr Isabella, ein Jahr kein Streit, aber auch keine Nähe, kein verführt werden. Nach dem dritten Glas Wein geht’s mir schon viel besser! Jetzt geh ich in den Lindenpark, vielleicht treffe ich Corinna. Jetzt geht’s mir gut. Sophie und Sebastian kommen ins Café. Ich freu’ mich, sie zu sehen.
Naja, so brauch ich nicht mehr auf Post warten. "Aus den Augen, aus dem Sinn, das ist doch nur bis 30 drinn", Isabella wird erst in einem Monat 30, sie hat am gleichen Tag Geburtstag, wie meine Tochter.
Heute, Freitag, werde ich mit Norbert ein Eisbein essen gehen.
Nachdem ich das Riemeister Fenn seit 30 Jahren fotografiere werde ich jetzt ins Rathaus gehen, um eine Ausstellung zu organisieren.
Norbert hat schon wieder alles bezahlt. Beim Nachhausegehen ist er hingestürzt, ich wollte ihn aufheben, aber er war mir zu schwer.
Irgend ein Nervenleiden hat er auch, der arme Kerl. Und eine Spiele-CD für meinen PC hat er mir auch mitgebracht. Ich habe dann bei ihm geschlafen, und am Samstag hat er dann noch für mich gekocht, er ist wirklich lieb.
Heute, Montag, 8.3., habe ich noch eine Karte von meinem Liebchen aus Südafrika bekommen, mit einem Herzen darauf und einem Poststempel vom 2.3. Das versteh ich nicht! Wann hat sie sich verliebt? Vor dem 2.3.?, dann ist die Karte ein Hohn! Danach?
Eine Woche voller innerer Unruhe, keine Post mehr, auch kein Anruf. Am Donnerstag hatte Norbert Geburtstag, ich hab ihm eine Eibe für seinen Balkon geschenkt. Wir haben uns besoffen. Mir geht’s schlecht. Eben hat es geklingelt. Ein bekanntes Ehepaar meiner Mutter kam und erkundigte sich nach ihr. Ich gab ihnen die Telefonnummer meiner Mutter. Heute ist es schön, ich muss raus, mir fällt das Dach auf den Kopf, ich fühl mich elend!
Heute habe ich Zettel ausgehängt, ich mache einen Flohmarkt in der Wohnung. Es ist Dienstag. Ges-tern kam eine Frau Bertram vorbei, sie hat Wickel mit ihrem Alten und sucht eine Wohnung. Für die Möbel möchte ich 1500.- DM. Das Geld will sie sich von ihrer Mutter holen, die in der Schweiz lebt. Das wird wohl auch nicht klappen. Frau Bertram ist so arm, dass sie sich nichteinmal eine Fahrkarte für den Bus kaufen kann. Morgen verkaufe ich diesen PC für 750.- DM, dann schau ich, ob ich einen Laptop kriege. Es ist jetzt 23 Uhr und eben habe ich einen lieben Anruf aus Wien bekommen, von Nicole Görzel, ich habe sie vor drei Jahren in New York kennengelernt und vor zwei Jahren mit einem Be-kannten von mir verkuppelt, sie hat jetzt auch Zorres mit ihrem Liebsten. Jetzt spiel ich noch ein bisschen Skat mit meinem PC.
Den PC habe ich nicht verkauft, die Dame, die ihn kaufen wollte, ist sehr kompliziert, Polizistin, die Tastatur ist zu schwer zu bedienen!!! Gestern war Neumond und ich habe mir meine Eibe aus dem Fenn geholt, das wird mein Hexenbaum auf meiner Wiese! Außerdem habe ich meine Tochter in Wien angerufen, vielleicht holt sie mich ab hier.
Jetzt hab ich Post aus Wien bekommen, von meinem Liebchen, das heißt, von meinem Exliebchen. Sie hat mir meine Post geschickt, ohne Kommentar, nicht eine einzige Zeile! Das tut weh.
Jetzt habe ich eine Annonce in der ’Zweiten Hand’ aufgegeben: Wohnungsauflösung .... Schon um sieben Uhr in der Früh klingelte das Telefon. Ein Türke kam gleich vorbei, sammelte Fotoalben, Bilder, Kaffe-Geschirr und ein paar Vasen ein. Hundert Mark. Dabei musste ich hinterher feststellen, dass er mir ein Bild geklaut hat, ein kleines liebes ölbild, ’Der Eremit’. Bin sauer, denn das wollte ich behalten. Sonst war er sehr nett, hat er mich doch mit dem Auto noch bis zum Kurfürsten Damm mitgenommen, hatte ich doch endlich den ersehnten Anruf vom Führerscheinbüro erhalten, mein neuer Führerschein ist endlich da. Kochstraße. Es ist ein schöner Führerschein, Scheckkartenformat. Sehr lustige Ausstellungsdaten stehen drauf:
A1 6.9.63, BE 11.11.64.
Neben dem Polizeirevier ist gleich das Haus am Checkpoint Charly, ein Museum des Mauerproblems, Fluchtautos, Tunnelgrabungen, Fluggefährte, Bilder. Diesem Museum habe ich einmal ein ölbild geschenkt:
’Die Grenze’. Das Bild habe ich mit 18 gemalt, eins meiner Lieblingsbilder. Das wollte ich noch einmal sehen. Ich schummelte mich hinein, wozu sollte ich auch Eintritt zahlen, aber ich fand es nirgends. Ich war traurig. Der Kunstreferent war nicht da, so ruf ich am Montag an. Der Ullstein-Verlag ist auch gleich ums Eck, so habe ich dort gleich noch ein Manuskript dieses Buches hinterlassen.
Als ich zurück kam, läutete gleich wieder das Telefon, der nächste Trödler erschien, ein Araber, kaufte einen lieben Hocker, ein Tischchen, Petroleum-Lampe und den Küchentisch. 104 DM, der war sauer, das schon jemand vor ihm da war. Um 20 Uhr kam dann noch einer, der kramte auch noch in den Küchenschränken, fand noch eine schöne geschliffene Glasvase, hat sich auch geärgert, dass er nicht der erste war, nahm die restlichen Bücher, eine Blechdose und ein Porzellangefäß für Mehl mit. 10 Mark, das sind zwei Bier. Ich erzählte ihm vom Bilderklau und nach der Beschreibung gab er mir die Telefonnummer eines Typen. Außerdem fragte er sehr detailliert, was die anderen gekauft haben. Es dürften ziemlich viel Intrigen unter den Trödlern vorkommen. Für die Biedermeierkommode hat er mir 500 Mark geboten, der spinnt. Aber einen dicken Benz fahren! Eine liebe Türkin kam dann noch, sie wollte die Wohnung haben. Na gut, werd’ ich am Montag die Wohnungsgesellschaft anrufen.
Später traf ich dann noch Norbert in seiner Stammkneipe. Er hat mir neun Messingscheiben für ein Spiel drehen lassen, darüber habe ich mich sehr gefreut. Er ist ein lieber Kerl.
Heute will jemand um 11 Uhr vorbei kommen und den PC erstehen, darum schreib ich schnell noch was. Und morgen mache ich einen Flohmarkt in der Wohnung, ich muß die Möbel wegbringen! Der PC-Käufer kam natürlich nicht! Briefe meiner Mutter die ich noch fand, haben mich deprimiert. Alle Rosen, die ich ihr schenkte, hat sie aufgehoben, jeder Rechnungszettel vom Heurigen mit mir war datiert. Eine Zeitungszettelsammlung von Trödlern, die Wohnungsräumungen machen war auch vorhanden. Ein Foto von Omas und Uromas Grab hab ich gefunden. Die Oma war eine geborene Kurz, die Uroma eine geborene Kempfer. Das ganze ist nicht erfreulich.
Gegen neun Uhr kam ein Anruf einer Dame, die sich nach den Bücherregalen erkundigte. Ich lockte sie in meine Wohnung mit dem Argument, dass die Regale ja morgen schon weg sein könnten. Sie heißt Sylvia und sitzt im Moment auf meinem Ofen. Ich habe sie nach Wien eingeladen, und es scheint, dass sie dem nicht abgeneigt ist, und sie wendete noch ein, dass wir uns ja erst kennenlernen sollten. Darum will sie mich zum Frühstück einladen. Im übrigen finde ich sie ganz süß.
Und jetzt schreibt sie:
Die Situation ist ja schon witzig - vorhin als ich den unbekannten Mann anrief wegen der Bücherregale und sogleich mein Kommen zusagte, hatte ich Angst vor meiner eigenen Courage. Ja, und nun sitze ich hier am PC - meine Angst ist geschwunden und dieser Unbekannte vor dem ich mich noch fürchtete ist mir doch jetzt schon sehr vertraut und sympathisch. Winkelmann ist sein Name ohne Vorname...
Ist er ein Schamane, ein Zauberer, ein Allroundkünstler, ein männlicher Kassandra, ein großer Junge, der, wie einst Erich Kästner schrieb, sein eigenes Kind noch leben läßt. In einer Welt, in der Kinder nicht mehr Kind sein dürfen.
Die Würfel sind gefallen - ein-, zwei-, drei-, viermal und jedesmal war das Ergebnis erschreckend: Ein dumpfes N e i n lautete die Antwort zu all meinen Fragen - es waren seine silbernen eigens von ihm geweihten Würfel, die jetzt mein Schicksal bestimmen sollten. Weder Zeit noch Zufall existieren - das Leben ist ABSICHT, also war der Wurf der Würfel nichtig - denn ich selbst bestimme mein Schicksal - und so werde ich die Einladung des Zauberers annehmen und nach Wien fahren ...
Es ist jetzt Frühlingsbeginn, 1 Uhr 14 in der Früh und ich gehe jetzt schlafen. Vorher muss ich diesen Schrieb noch auf Diskette speichern, vielleicht kommt ja doch jemand und kauft den PC. Eben hat Sylvia noch angerufen! Lieb.
Sonntag, 21.3. 99, der Flohmarkt-Tag, 10 Uhr 30. Ich habe gerade mit meiner Exfrau telefoniert, da sie meiner Tochter verboten hat, nach Berlin zu kommen, da sie so schlecht in der Schule ist. Mit Günter, ihrem neuen Mann, habe ich auch gesprochen. Der versprach mir für den Transport der Kommode und der Truhe 5000 .-öS. Das muntert mich wieder ein bißchen auf! Und eben kam noch ein Anruf, der PC-Käufer will kommen. Er kam. Aber 1,2 Gigabyte waren ihm zu wenig, ob wohl er ihn nur als Schreibmaschine benutzen will, so hab ich ihn immer noch.
Eine Dame kam und war von einem sechseckigem Kästchen ganz begeistert, sie wollte schauen, ob sie es tragen könne, dabei machte sie es gleich kaputt. Ich klebte es notdürftig und für 50 DM nahm sie es dann mit. Eine bildhübsche Polin kam auch noch, sie kaufte ein bisschen Küchenkrimskrams für 17 DM. Mehr konnte ich nicht verkaufen. Jetzt ist es 21 Uhr und ich gehe noch zur Sylvia.
Heute am Montag habe ich die Hausverwaltung angerufen. Didar Dündar will die Wohnung übernehmen. Sie kommt jetzt vorbei und wir setzen die entsprechenden Schreiben auf.
Dienstag ist heute, Didar kam in der Früh mit einem Frühstück und wir fuhren zur Hausverwaltung. Gillweg 3. Ich hatte eines der skurrilsten Erlebnisse, an die ich denken kann: Wir fuhren nach Halensee und fanden nicht gleich den Gillweg, schon das Straßenschild, aber keine Straße. Weite vorne stieg gerade eine Frau in Ihren Benz, ich sagte zu Didar: "Fahr vor, und frag die Frau dort". Didar machte das. "Ich kenne mich nicht aus hier", war die Antwort, "Ich komme aus Hermsdorf." Nachdem ich in Hermsdorf nur einen Menschen kannte, ich war damals 13 Jahre alt und hatte das Mädchen in einem Bus kennengelernt, der Ferienkinder von österreich nach Berlin transportierte, und dabei bin ich meinen ersten Kuss losgeworden, fragte ich sie ganz spontan: "Bist Du Rita Felsch?" Sie war es! Ich erzählte ihr noch, dass ich einmal von Zehlendorf nach Hermsdorf mit dem Fahrrad fuhr, wofür ich vier Stunden brauchte, aber sie nicht zu Hause war. Ich gab ihr meine Visitenkarte und sie mir ihre Telefonnummer: 404 14 59.
Eben rief mich Herr Schiller, der Kunstreferent vom Haus am Checkpoint Charly an. Er will vielleicht weitere Bilder von mir ins Internet stellen. Treffen Montag.
Heute ist Freitag, es will eine Frau kommen, um den PC zu kaufen! Gestern wollte ich eigentlich ins ’Siphon’, eine liebe Kneipe, gehen, um zu essen. Doch in Zehlendorf-Mitte war gerade eine Eröffnung eines Einkaufszentrums, so kam ich zu einer Gratis-Mahlzeit.
Seit drei Tagen ist nun Krieg in Yugoslawien, in den Nachrichten wird nur gelogen, keine Verluste der Natotruppen, das würde wohl die Moral untergraben, die Amis hatten ja im Irak auch keine. Wie dumm und wie schwach sind wir, dass wir uns so etwas gefallen lassen. Die politiker reden so einen Schwach-sinn! Wer die Macht hat, hat recht. Manchmal versteh ich die Baader-Meinhoff-Gruppe! Unsere Politiker führen Kriege wegen Geld, dafür gehören sie eigentlich liquidiert oder nur amputiert, damit sie für den Scheiß, den sie machen ein wenig zum Nachdenken kommen. Dazu muss ich sagen, dass mein Sohn gerade seinen Militärdienst absolviert.
Ich habe den bissigen Köter meines Nachbarn verschwinden lassen! Im ’Lindenpark’ quatscht mich so eine blöde Kuh an, und fragt mich, wie alt ich sie schätze: "Du hast den Geist einer Siebzehnjährigen und den Körper einer Siebzigjährigen!" Damit wurde ich sie los.
Jetzt ist es gleich 11 Uhr, ich bin gespannt, ob die PC-Käuferin kommt. Sie kam nicht.
Heute, am 26.3., auf dem Weg durch Zehlendorf, Zettel aufhängend, Wohnungsmobililiar anbietend, kam ich doch schließlich zur Krumme Lanke. Ich hatte meinen Fotoapparat dabei, man weiß ja nie. Ich fotografierte meine markierten Bäume. Am Wasserwerk entlang zum Buchenhain. In der ehemaligen Schonung, die Bäumchen gingen mir mal bis zum Knie, heute sind sie ca. 20 Meter hoch, lagen viele geschlachtete Kiefern herum, die Bäumchen in der Schonung waren damals auch viel zu dicht gepflanzt worden. Der Waldboden ist angenehm zu begehen, der Schritt kaum zu hören. Zwanzig Meter vom Weg entfernt entdeckte ich ein Liebespärchen, voll ’in action’, a tergo, wie ein Kaninchen arbeitete er, noch halb bekleidet, während sie, mit einem langen blonden Zopf nur kniend sich überhaupt nicht rührte.
Leidenschaft war nicht zu spüren. Da blieb mir nicht viel übrig, als ein paar Fotos zu schießen. Wollt Ihr sie sehen? Das Klicken des Auslösers war offensichtlich zu leise, um Aufmerksamkeit zu erregen, so ging ich näher und trat auf einen trockenen Ast, so dass dieser zerbrach. Der Blick zu mir, den auf ihn gerichteten Fotoapparat, ließ sein Tun spontan unterbrechen. Er versteckte sich samt seiner Braut hinter einem Baum, einer dicken Kiefer, und deckte sich mit irgend etwas zu. "Lasst Euch nicht stören!", rief ich ihnen zu und ging lächelnd weiter Richtung Buchenhain.
Am Strand der Krumme Lanke stand ein junges Liebespaar mit den Füßen im Wasser. Man könnte ja baden gehen, sagte ich. Zwei Minuten später kam ein junges Mädchen, um die 15 Jahre alt, zog sich aus und sprang ins Wasser. Geschätzte Wassertemperatur 12 Grad.
Nach einem anschließenden Bier in der Rodelhütte fuhr ich nach Hause. Ein Anruf kam und ein Trödler vom Prenzlauer Berg kam, nahm die überfälligen Kerzenständer, den schmiedeeisernen Flurspiegel samt Ablage und das hohe Bücherregal mit, 120 DM. Nachdem ich die Gegend Prenzlauer Berg auch kennenlernen wollte, nahm er mich auf der Rückfahrt zur Schönhauser Alle mit. Dort ging ich in die Rumpelkammer, eine urberliner Kneipe. Ein Satz Würfel ging für zwei Bier weg und einen blöden Witz habe ich auch gehört: "Was ist eine Thermosflasche mit Hackepeter? - Eine Truckerfotze". Im übrigen hörte ich sehr oft das typische Berliner "Ej". Um acht in der Früh bin ich erst nach Hause gekommen, da ich in der U-Bahn eingeschlafen bin, und mit der U2 in der Endstation Ruhleben gelandet bin, auf der Rückfahrt bin ich wieder eingeschlafen und fuhr zu weit.
Heute ist Sonntag, der PC stellte freundlicherweise gleich auf Sommerzeit um. Gestern war so schönes Wetter, dass es mich wieder zur Krumme Lanke zog. Ich ging den Siebenendenweg entlang, dann durch das kleine Wäldchen hinter dem Eschershauser Weg. Und auf einem Balkon entdeckte ich ein Gesicht, das mir bekannt vorkam, ein alter Jugendfreund. "Lutz Mackensy?" rief ich. Er stand auf. "Weißt Du, wer ich bin?" "Nicht so genau." "Winkelmann" "Wie geht es Deiner Mutter?", fragte er mich.
Er warf mir eine Visitenkarte vom Balkon. Ich habe ihn seit 38 Jahren nicht mehr gesehen, oh ja doch, einmal im Fernsehn, er ist Schauspieler. Als ich weiter zum Quermatenweg ging, hörte ich das Knistern der Kiefern, wenn sie treiben
Zwei PC-Interessenten kommen heute vorbei. Bin gespannt. Eben klingelt es. Ein Plole mit Mutter kaufte fast alle Möbel für 500.-DM: Beide Rosshaarsessel, beide Regale, das ovale Tischchen, den großen Tisch, das Telefontischchen, die schmiedeeiserne Garderobe, den restlichen Kram, wie Vasen, Kerzenständer, Schalen und alle Lampen, jetzt sitz ich im Dunkeln. 200.-DM hat er angezahlt, morgen will er mit einem LKW kommen.
So, der PC wird geht jetzt auch weg, somit sind das die letzten Zeilen darauf. Ein Trum weniger nach Wien zu schleppen. Tschüss lieber PC.

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