Reisen

Der Pfennig
Zur Zeit des Eisernen Vorhangs fuhr ich mit dem Auto von Berlin nach Wien. An der tschechischen Grenze zu österreich wurde ich aufgefordert, meine Geldbörse zu öffnen. Und da lag er, der Ost-Pfennig.
Triumphierend nahm der Zöllner dieses Geldstück heraus und fragte mich, was das denn sei.
"Das ist ein Ost-Pfennig" erwiderte ich.
"Das ist ein Pfennig der Deutschen Demokratischen Republik!" korrigierte mich der Grenzer, "was ist das?" - "Das ist ein Ost-Pfennig!" widerholte ich meine vorherige Aussage. "Ich sag es Ihnen nur noch einmal, das ist ein Pfennig der Deutschen Demokratischen Republik, was ist das?"
"Das ist ein Ost-Pfennig" und ich holte einen West-Pfennig aus der Börse und zeigte ihn hoch, "und das hier ist ein West-Pfennig!"
Diese Bemerkung kostete mich drei Stunden Aufenthalt an dieser Grenze.
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Die perfekte Insel
Reise um Helgoland, für fünf Mark, gut organisiert, mit Bussen zum Hafen, von dort auf's Schiff, die Zollfreizone winkt! Sightseeing total: Versunkene Schiffe werden von der Sonnenseite her umfahren, Kameras klicken, Erklärungen über Lautsprecher. Ab 13 Uhr sind die Duty-Free-Shops geöffnet, im Sonderangebot haben wir heute... Der Alkohol fließt. Und am Heck des Schiffes können Sie Tontauben schießen! Seegang, essen, trinken, Ansichtskarten schreiben, quatschen: "Da gibt es Schiffsfahrten, da ist das Mittagessen auch noch dabei, für fünf Mark!", erklärt mir ein Pensionist, "ich hab' ja Zeit, und die fünf Mark bekomme ich von den Nachbarn, für die ich hier einkaufe".
Helgoland in Sicht, alles rennt an Deck, Ferngläser werden herumgereicht. Helgoland, total neu gestylt, betreten ist teuer, 60 Mark mehr für drei Stunden Aufenthalt, das heißt, zu Fuß einmal um die Insel. Angeblich kann man dort auch Urlaub machen. Aber das ist ja nicht der Sinn dieser Fahrt.
Einmal im Uhrzeigersinn, wenden, und im Gegenuhrzeigersinn zurück um die Insel. Wünsche wecken: Dort wohnen die Reichen, - zu teuer für uns. Als Ausgleich kann schließlich verbilligt eingekauft werden, Frustkäufe werden wahr. "Butterfahrten". Die Auswahl an Pfeifen war miserabel!
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Freiheit in der DDR
Auf dem Weg von Schweden nach Berlin nahm ich unerlaubterweise in der ehemaligen DDR einen Tramper mit. Ich fragte ihn, was er denn unter Freiheit verstünde. "Freiheit ist, wenn ich das tue, was der Staat von mir erwartet", war seine Antwort. "Mit der Meinung stehst Du aber ziemlich allein da auf der Welt!" entgegnete ich.

Großstadt
Es ist eine Großstadt.
Ich gehe durch diese Stadt, in der ich lebe, und stelle fest, dass es eine tote Stadt ist. Es herrscht zwar reges Treiben auf den Geschäftsstraßen, aber die Verbindung vom Einzelnen zur Gemeinschaft fehlt, der psychische Zusammenhang hat sich verloren.
Wer ist das alte Mütterlein, das sich gerade in die Straßenbahn zwängt, warum geht die junge Frau dort in Schwarz? Was denkt der Mann im grauen Anzug, wohin rast der Mopedfahrer? Wieso zittern dem die Hände, worüber streitet sich das Ehepaar?
Ich weiß es nicht, ich kenne sie nicht, ich vergesse ihre Gesichter, "hab ich sie schon mal gesehen?" Was kocht diese Hausfrau heute, was trägt der in seiner Aktentasche? Warum ist er betrunken, warum schlägt sie ihr Kind?
"Schau, sie hat immer noch nicht ihre Fenster geputzt, so eine Schlampe!"
- "Jetzt hat der schon wieder eine neue Freundin!" - "Der Arme hat Krebs, Blasenkrebs." - "Was die für einen unmöglichen Hut aufhat, unmöglich!" - "Trottel!" - "Die Bluse paßt ja überhaupt nicht zu dem Rock." - "Franzi komm her, sonst kriegst Du eine verpaßt, dass Dir hören und sehen vergeht!" - "Ist die blad!" -
Ich stehe noch immer am Straßeneck, sie eilen vorbei, niemand nimmt Anteil an meinen Gedanken, an meinen Gefühlen. Niemand kennt mich.

Es sind einfach zu viele!
Zuviele Menschen,
zuviele Gedanken.

Es ist zuviel
zuviel Neid,
zuviel Missgunst, zuviel Ärger.

Es ist zuwenig
zuwenig Liebe
zuwenig Vertrauen, zuwenig Gedanken

zuwenig Kontakt.

Ich will in ein Dorf!
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